Nach dem schweren Erdbeben mit einer Flutwelle in Chile ist die Zahl der Toten auf mindestens fünf gestiegen. Dutzende Menschen seien verletzt worden, meldeten örtliche Medien am Donnerstag unter Berufung auf Rettungsdienste. Rund eine Million Einwohner seien aus ihren Häusern in Sicherheit gebracht worden, teilte das Innenministerium mit. Nach dem Beben der Stärke 8,4 hatten die Behörden in der weitläufigen Küstenregion des südamerikanischen Landes eine Tsunami-Warnung ausgegeben.
Die Tsunami-Warnung wurde inzwischen jedoch in manchen Regionen wieder aufgehoben, wie der Katastrophenschutz Onemi meldete. Eine Frau starb durch eine umstürzende Mauer, eine andere bei einem Erdrutsch, wie Innenstaatssekretär Mahmud Aleuy mitteilte. Drei Männer erlagen Herzinfarkten. Nach seinen Worten war es das sechststärkste Erdbeben in der Geschichte Chiles. Es ereignete sich am Mittwochabend (Ortszeit) rund 55 Kilometer vor der Küste in Höhe der Stadt Illapel, die rund 280 Kilometer nördlich der Hauptstadt Santiago liegt. Der Erdbebenherd lag nach Angaben der Behörden in rund 16 Kilometern Tiefe. Im Februar 2010 waren in Chile bei Erdstößen der Stärke 8,8 mehr als 520 Menschen gestorben.
Präsidentin Michelle Bachelet habe die am stärksten getroffene Region Coquimbo zum Katastrophengebiet erklärt, um die Hilfe für die Bevölkerung zu beschleunigen, hieß es. Die Staatschefin wollte im Laufe des Donnerstags dorthin reisen. Angesichts der großen Erdbebengefahr verfügt Chile über gute Frühwarn- und Evakuierungssysteme.
Das Pazifik-Zentrum für Tsunamiwarnungen warnte nach dem Beben vom Mittwoch vor Wellen von mehr als drei Metern Höhe. Die Bewohner der chilenischen Küstenregionen waren aufgerufen, sich in Sicherheit zu bringen. Coquimbo wurde Berichten zufolge von vier Meter hohen Wellen getroffen. Der Bürgermeister sagte demnach, Wasser stehe in großen Teilen der Stadt. Kleinere Tsunami-Wellen wurden aus Valparaiso, Concon und anderen chilenischen Städten gemeldet.
Das Beben verursachte Stromausfälle, Straßen nahmen Schaden. Der Bürgermeister von Canela sagte dem Radiosender "Bio Bio", dort seien viele Hauswände eingestürzt. Nach dem Hauptbeben gab es 14 weitere Beben in dem südamerikanischen Land, das stärkste erreichte eine Stärke von 7,6. Nach dem schweren Erdbeben in Chile haben die Behörden für weite Teile des Südpazifiks eine Tsunami-Warnung ausgegeben.
Innenminister Jorge Burgos sagte: "Es gibt Berichte über Schäden in Illapel." Er ordnete umfangreiche Evakuierungsmaßnahmen in der ganzen Küstenregion an, bis hinauf zur Grenze mit Peru. "Die Bevölkerung an der Küstenlinie soll die Sicherheitszonen aufsuchen", informierte der nationale Katastrophenschutz bei Twitter.
Der Bürgermeister von Illapel, Denis Cortés, sprach im TV-Sender "24 Horas" von mindestens einem Todesopfer. Außerdem seien rund ein Dutzend Verletzte ins Krankenhaus gebracht worden. Der Leiter des Katastrophenschutzes, Ricardo Toro, sagte hingegen, ihm lägen bislang keine Berichte über Todesopfer vor.
Auf Bildern waren in Panik aus Gebäuden rennende Menschen zu sehen. "Bei vielen Häusern sind Mauern eingestürzt", sagte der Chef der Feuerwehr von Illapel, Fabián Olivares Hidalgo, der Zeitung "La Tercera". "Die Feuerwehrleute sind in einem Altersheim, und es ist ein enormes Chaos. Es gibt viele Schäden an Gebäuden und Stromausfälle."
Der Flughafen der Hauptstadt Santiago wurde teilweise evakuiert. Auf Twitter meldete der Flughafen aber nach wenigen Stunden, dass der Betrieb wieder normal laufe. In Santiago wackelten viele Gebäude. Das Beben erschütterte vor allem die Regionen Atacama, Coquimbo, Valparaíso, den Hauptstadtbezirk, Maule, Biobío und La Araucanía. Den Behörden zufolge ereignete sich der Erdstoß in einer Tiefe von rund elf Kilometern um 19.54 Uhr Ortszeit. Es war bis in die argentinische Hauptstadt Buenos Aires und in mehreren Provinzen des Landes zu spüren.
Erdbeben sind in Chile keine Seltenheit, zu einer Katastrophe war es 1939 gekommen. Nach einem Beben der Stärke 7,8 starben 28 000 Menschen. Auch das stärkste je gemessene Erdbeben geschah in Chile: 1960 registrierten Geologen die Stärke 9,5 - 1655 Menschen starben.
Um den Pazifischen Ozean herum liegt ein Gürtel aus etwa 450 aktiven Vulkanen, der als Pazifischer Feuerring bezeichnet wird. Er ist etwa 40.000 Kilometer lang und wie ein Hufeisen geformt. Hier treffen verschiedene Platten der Erdkruste aufeinander. Es kommt zu tektonischen Verschiebungen und Verwerfungen, die Vulkanausbrüche, Erdbeben und Tsunamis zur Folge haben - das Land hat darauf mit dem Aufbau eines umfassenden Frühwarn- und Evakuierungssystem reagiert.
Mehrere Tsunami-Warnungen im Pazifik nach Chile-Beben
Nach dem schweren Erdbeben vor Chile hat der Nationale Wetterdienst der USA (NWS) mehrere Tsunami-Warnungen für den Pazifik ausgegeben. In Französisch-Polynesien könnten die Wellen bis zu drei Meter hoch werden, teilte der NWS mit Sitz in Hawaii am Donnerstag mit. Kleinere Wellen mit bis zu einem Meter Höhe werden unter anderem an den Küsten von Mexiko, Ecuador, Peru, der Antarktis, Japan, Neuseeland, Russland und zahlreichen Pazifik-Inselstaaten erwartet.
Neuseeland gab eine Tsunami-Warnung für die gesamte Ostküste und die Chatham-Inseln heraus. Das Ministerium für Katastrophenschutz erwartet Wellen bis zu einem Meter Höhe. Die erste Welle müsse nicht notwendigerweise die höchste sein, warnte das Ministerium die Bevölkerung. Die Bewohner sollten nicht ins Wasser oder an die Strände gehen. In Australien gebe es keine Tsunami-Gefahr, erklärte die dortige Regierung.
Nach Angaben der US-Amerikaner wurden die höchsten Wellen bislang in Coquimbo in Chile gemessen. Dort erreichte das Wasser 4,75 Meter über der Normalhöhe. In anderen chilenischen Küstenstädten sei das Wasser bis zu 1,3 Meter höher gestiegen. Im benachbarten Peru hingegen wurde ein Anstieg von nur einigen Zentimetern gemessen.
dpa/jp - Bild: Esteban Zuniga (afp)