Nur wenige Stunden nach Einführung der verschärften Gesetze zum Grenzübertritt hat es in Ungarn erste Verhaftungen gegeben. In der Nacht zum Dienstag nahm die Polizei 16 Menschen fest, die den Grenzzaun zu Serbien durchschnitten hatten. Die meisten Flüchtlinge sammelten sich derweil an anderen Grenzübergängen als während der vergangenen Tage.
Zuvor hatte die ungarische Polizei am Montag die letzte Lücke im 175 Kilometer langen Grenzzaun zu Serbien geschlossen - ein Bahngleis nahe dem Grenzort Röszke, über das bis dahin Tausende Flüchtlinge nach Ungarn gekommen waren. Zugleich traten um Mitternacht verschärfte Gesetze in Kraft. Danach gilt illegaler Grenzübertritt nun nicht mehr als Ordnungswidrigkeit, sondern als Straftat, und wird mit Haft oder Abschiebung sanktioniert.
Der Flüchtlingsandrang verlagerte sich am Morgen von der geschlossenen Lücke bei Röszke zum Grenzübergang an der alten Landstraße, die von Serbien nach Ungarn führt. Vor dem geschlossenen Grenzübergang begehrten nach Beobachtungen eines Korrespondenten der Deutschen Presse-Agentur bis zu 2000 Menschen Einlass nach Ungarn. Sie skandierten: "Öffnet die Grenze!"
Nach ungarischen Medienberichten will die Polizei die Flüchtlinge vom Grenzübergang wegbringen und zu einem im Aufbau befindlichen, nahe gelegenen "Durchlasspunkt" lenken. In dessen Nähe beobachtete der dpa-Reporter am Morgen mehrere hundert auf dem Boden sitzende Flüchtlinge. Vor der Schließung der Grenze am Montag erreichte noch eine Rekordzahl von Flüchtlingen das Land. Die Polizei meldete 9380 Ankömmlinge - etwa viermal so viel wie der Tagesdurchschnitt in den vergangenen Wochen.
Die tschechische Ausländerpolizei griff seit der Wiederaufnahme der Grenzkontrollen Deutschlands zu Österreich am Sonntagabend 81 Flüchtlinge auf, wie eine Polizeisprecherin am Dienstag mitteilte. Dies war nur ein leichter Anstieg gegenüber den Vortagen. Tschechien hatte eine größere Ausweichbewegung der Flüchtlinge erwartet. Die meisten Migranten kamen den Angaben zufolge zu Fuß über die Grenze, sie stammten aus Syrien und Afghanistan.
Flüchtlinge an serbisch-ungarischer Grenze im Hungerstreik
Aufgebrachte Flüchtlinge haben an der serbisch-ungarischen Grenze bei Röszke einen Hungerstreik aus Protest gegen die Schließung des dortigen Durchgangs begonnen. Einige der 200 bis 300 protestierenden Menschen in einer Transitzone trügen Schilder mit der Aufschrift «No water no food until open border», berichtete die ungarische Internet-Zeitung index.hu. Vorher hätten sie dort von ungarischer Seite erhaltenes Essen weggeworfen. Unter den Protestierenden seien auch Kinder.
Zugleich stünden an einem alten Grenzübergang an einer Landstraße etwa 1500 Flüchtlinge, die Einlass begehren. An diesem Punkt ist dies aber nicht möglich. Die Polizei versuchte, die Flüchtlinge an einen auf freiem Feld eingerichteten speziellen Durchlasspunkt zu verweisen, der für die Registrierung von Flüchtlingen vorgesehen ist. Ungarns Polizei war dort mit einem großen Aufgebot präsent. Die nahe gelegene Autobahn wurde wegen der aus Serbien ankommenden Flüchtlinge vorübergehend gesperrt, beobachteten dpa-Reporter vor Ort.
Flüchtlingsquote: EU plant keine Sanktionen gegen EU-Staaten
Die EU-Kommission plant entgegen Behauptungen aus Deutschland keine finanziellen Sanktionen gegen EU-Staaten, die eine Verteilung von Flüchtlingen per Quote ablehnen. Die laufenden Programme aus dem Haushalt bis 2020 "bieten keine Rechtsgrundlage, um Mittel aus Strukturfonds zu kürzen, wenn ein Mitgliedstaat sich dem verbindlichen Verteilungsschlüssel für Flüchtlinge verweigert", teilte eine Sprecherin der EU-Kommission am Dienstag in Brüssel mit.
Um eine derartige Bedingung einzuführen, müsste man den mehrjährigen Finanzrahmen bis 2020 aufschnüren. "Dies gehört nicht zu den Optionen, die wir derzeit prüfen", so die Sprecherin. Sie dementierte damit eine Behauptung vom deutschen Innenminister Thomas de Maizière, EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker wolle diesen Ländern Mittel aus den Fonds kürzen. "Dies hat Präsident Juncker nicht gesagt", sagte die Sprecherin.
dpa/sh - Bild: Armend Nimani (afp)