Angesichts der dramatischen Zustände in Ungarn hat Deutschland Tausende von Flüchtlingen aufgenommen. Nach Tagen voller Strapazen in Ungarn reisten am Samstag nach Angaben der Bundespolizei alleine über München 6900 Flüchtlingen in 26 Zügen nach Deutschland ein. Auch am Sonntag wurden weitere Sonderzüge erwartet. Die EU ist unterdessen von einer Lösung der Flüchtlingskrise noch weit entfernt.
Am Budapester Ostbahnhof hatten Flüchtlinge in den vergangenen Tagen teilweise tagelang ausharren müssen. Die Regierungen in Berlin, Wien und Budapest hatten angesichts der dramatischen Lage entschieden, die in Ungarn festsitzenden Menschen ausnahmsweise ohne bürokratische Hürden und Kontrollen einreisen zu lassen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban betonten, dies sei wegen der Notlage eine Ausnahme gewesen.
Am Sonntag entspannte sich die Lage am Ostbahnhof in der ungarischen Hauptstadt. Am Samstag hatten sich dort erneut viele Flüchtlinge versammelt. Sie reisten am Sonntag in Zügen direkt weiter zur ungarisch-österreichischen Grenze.
In Deutschland wurde der Hauptbahnhof in München zur ersten Anlaufstelle für die Menschen. Viele von ihnen waren erschöpft. Sie wurden von Hunderten Menschen mit Applaus empfangen. Als Notquartier wurde in München binnen Stunden unter anderem eine Halle auf dem Messegelände vorbereitet. Dort gibt es Platz für 3000 Menschen. Von München aus sollten die Migranten mit Zügen und Bussen auf die Bundesländer verteilt werden.
Auch am Wiener Westbahnhof waren viele Flüchtlinge eingetroffen. Freiwillige Helfer teilten Essen, Getränke und Decken aus. Am Sonntag sollten nach Angaben der österreichischen Polizei außerdem rund 1000 Flüchtlinge aus Ungarn in Bussen vom Grenzort Nickelsdorf bis Salzburg an der Grenze zu Deutschland gebracht werden. Von dort sollten sie nach München weiterreisen.
Juncker kritisiert Grenzkontrollen
Unterdessen ringt die EU weiter um politische Lösungen. In der Debatte über eine gerechtere Verteilung von Flüchtlingen gab es am Wochenende beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg kaum Fortschritte. Vor allem osteuropäische EU-Mitgliedsländer wehren sich gegen verbindliche Regeln.
EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker will am Mittwoch ein Konzept zur Verteilung von 120.000 weiteren Flüchtlingen auf EU-Staaten vorstellen. Nach Informationen der "Welt am Sonntag" sieht der Plan für Deutschland die Aufnahme von 31.443 Menschen vor. An zweiter und dritter Stelle stünden Frankreich (24.031) und Spanien (14.921).
In der "Bild am Sonntag" kritisierte Juncker Grenzkontrollen, die wegen der Zahl an Flüchtlingen stattfänden. Wenn Menschen in Europa Zuflucht suchen, sei das noch lange kein Grund, das Schengen-Abkommen außer Kraft zu setzen. "Das Recht auf Freizügigkeit ist eine Errungenschaft Europas, es ist unantastbar. Wir dürfen Schengen nicht aufs Spiel setzen, nur weil einige Mitgliedsstaaten gegen die europäischen Regeln verstoßen und Solidarität offenbar als Schönwetter-Wort begreifen."
Am Mittwoch will die EU offenbar auch eine Liste mit sicheren Herkunftsländern vorlegen. Neben den Staaten des westlichen Balkans soll auch die Türkei in der Aufstellung enthalten sein. Die Liste solle für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich sein und nach und nach erweitert werden. So könnten später beispielsweise Länder wie Bangladesch, Pakistan und der Senegal aufgenommen werden. Mit der Kategorisierung sollen Asylverfahren vereinfacht und abgelehnte Bewerber schneller in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
dpa/br/cd/rkr/km - Bild: Frank Rumpenhorst/AFP