Mehr als 2200 Flüchtlinge aus Ungarn sind am Samstag nach Regierungsangaben aus Österreich von dort nach Deutschland weitergereist. Insgesamt seien seit der Grenzöffnung in der Nacht rund 6500 Menschen nach Österreich gekommen, sagte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner bei einem Besuch am Wiener Westbahnhof.
In Wien kommen die meisten der Flüchtlinge aus Nickelsdorf an der österreichisch-ungarischen Grenze an, ehe sie nach Deutschland weiterreisen. Nur sehr wenige haben in Österreich Asylanträge gestellt. Die übergroße Mehrheit der Flüchtlinge wolle nach Deutschland, hieß es im Innenministerium.
Die Behörde rechnet nach eigenen Angaben mit bis zu 10.000 Flüchtlingen aus Ungarn. Auf die Frage, wie lange die Grenzen offen bleiben, gab Mikl-Leitner keine klare Antwort. Man habe es mit einer «Notsituation» zu tun, sagte sie. Die Ministerin wiederholte ihre Forderung nach Anlaufstellen für Flüchtlinge an den europäischen Außengrenzen.
Auf österreichischen Bahnhöfen werden die Flüchtlinge vor der Weiterreise mit Wasser und Nahrungsmitteln versorgt sowie medizinisch betreut. Viele von ihnen würden unter Erschöpfungszuständen, Kreislaufproblemen und psychischen Belastungen leiden, hieß es beim Wiener Sanitätsdienst.
Berlin und Wien hatten nach übereinstimmenden Regierungsangaben am Freitagabend beschlossen, die in Ungarn festsitzenden Flüchtlinge Richtung Deutschland und Österreich ausreisen zu lassen. "Wir haben jetzt eine akute Notlage bereinigt", sagte ein Regierungssprecher am Samstag in Berlin der Deutschen Presse-Agentur. "In diesem Fall stimmen Deutschland und Österreich einer Weiterreise der Flüchtlinge zu."
Offen ist aber, wie Ungarn, Deutschland und Österreich mit dem weiteren Zustrom von Flüchtlingen grundsätzlich umgehen wollen. Das Ringen um ein einheitliches Vorgehen in der Flüchtlingspolitik ging am Samstag auch am zweiten Tag des EU-Außenministertreffens in Luxemburg weiter.
Hunderte weitere Flüchtlinge zu Fuß nach Österreich unterwegs
Am Münchner Hauptbahnhof ist am Samstagmittag ein erster Sonderzug mit etwa 450 Flüchtlingen angekommen. Der aus Ungarn über Salzburg gefahrene Zug sei gegen 13:20 Uhr eingetroffen, sagte ein Sprecher der Bundespolizei der Deutschen Presse-Agentur. Der Zug war ohne Stopp von Österreich in die bayerische Landeshauptstadt durchgefahren. Bereits zuvor waren seit Mitternacht in mehreren anderen Zügen etwa 350 Flüchtlinge eingetroffen. Die Behörden rechnen insgesamt mit mehreren tausend Flüchtlingen, die im Laufe des Wochenendes am Münchner Hauptbahnhof eintreffen werden.
Salzburg liegt direkt an der Grenze zu Deutschland. Dem Polizeisprecher zufolge wollten keine Flüchtlinge in Salzburg bleiben, sondern alle nach Deutschland weitereisen. Im Untergeschoss des Bahnhofes standen dutzende Feldbetten bereit, die aber nicht gebraucht wurden. Die Situation am Bahnhof wurde allgemein als ruhig beschrieben. Der Zug hatte den österreichischen Ort Nickelsdorf an der Grenze zu Ungarn am frühen Morgen verlassen.
Züge nach München sowie Frankfurt am Main
Arabische Lautsprecherdurchsagen am Wiener Westbahnhof informierten die Menschen über die nächsten Abfahrtsmöglichkeiten Richtung Deutschland, wohin die meisten von ihnen weiterreisen wollten. Freiwillige Helfer begrüßten die Menschen mit Applaus und teilten Essen, Getränke und Decken aus.
Laut der Österreichischen Bundesbahn sollen die Flüchtlinge mit Zügen nach München sowie Frankfurt am Main weiterreisen können. Allein vom Wiener Westbahnhof aus seien für Samstag sechs Zugabfahrten nach München und vier weitere über Passau nach Frankfurt geplant.
Beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg betonte der österreichische Chefdiplomat Sebastian Kurz am Samstag, das Dublin-System gelte nach wie vor. Nach diesem ist derjenige Mitgliedstaat, in dem ein Asylbewerber erstmals europäischen Boden betritt, für das Asylverfahren verantwortlich. Kurz regte einen Sondergipfel der europäischen Staats- und Regierungschefs zur Flüchtlingskrise an.
Zu den Gesprächen in Luxemburg wurden auch Vertreter aus den westlichen Balkanstaaten erwartet. Über Länder wie Serbien versuchen derzeit Tausende Asylsuchende, in westliche EU-Staaten zu gelangen. Die EU-Kommission will vorschlagen, die westlichen Balkanländer EU-weit zu sicheren Herkunftsstaaten zu erklären und die Abschiebung dorthin zu erleichtern.
dpa/cd/rkr - Bild: Christof Stache (afp)