Am Freitag um kurz nach 18 Uhr wollte ein Mann in einem Thalys-Zug um sich schießen. Der mutmaßliche Täter konnte nur wenige Augenblicke vor der Tat von zwei amerikanischen Soldaten überwältigt werden, die zufällig in dem Hochgeschwindigkeitszug saßen. Die beiden Soldaten wurden schwer verletzt, ein weiterer Passagier leicht. Belgien erhöht Sicherheitsmaßnahmen.
Inzwischen steht fest, dass es sich bei dem Täter um einen 26-Jährigen marokkanischer Abstammung handelt. Er soll für die französischen Sicherheitsbehörden kein Unbekannter gewesen sein. Der Mann soll in Brüssel-Süd (Bruxelles-Midi) in den Thalys gestiegen sein. In seiner Tasche hat die Polizei sämtliche Waffen gefunden, darunter eine Kalaschnikow, neun volle Magazine sowie ein Messer. Amerikanische NATO-Soldaten, die zufällig im Thalys saßen, hatten verdächtige Geräusche aus der Zugtoilette gehört. Mit Hilfe anderer Passagiere konnten sie den Täter überwältigen – drei Menschen wurden dabei zum Teil schwer verletzt.
Der US-Sender CNN hat ein Handyvideo veröffentlicht, das angeblich den überwältigten Täter und einen verletzten Soldaten zeigen soll.
Die spanische Zeitung "El País" berichtete unter Berufung auf Geheimdienstquellen, der Mann sei den Sicherheitsbehörden bekannt gewesen und solle Verbindungen zu radikalen Islamisten gehabt haben.
"Heldenhafter Einsatz" von Soldaten und Zivilisten
"Wir haben einen Schuss und berstendes Glas gehört", erzählte der Nationalgardist Alek Skarlatos. Er habe hinter sich geschaut und einen Mann mit einer Kalaschnikow gesehen, dann habe er sich zusammen mit anderen Fahrgästen auf den Mann gestürzt. "Wir haben ihn letztlich gefesselt, aber dann hat er währenddessen tatsächlich ein Messer gezogen und (den zweiten US-Soldaten) Spencer geschnitten", sagte der Brite Chris Norman, der den Amerikanern nach eigenen Angaben bei der Überwältigung des Mannes half. Skarlatos erzählte: "Wir haben ihn gegen den Kopf geschlagen, bis er bewusstlos war."
Der Mann habe nur gerufen: "Gib mir meine Waffe wieder, gib mir meine Waffe wieder", berichtete er. Danach habe er nichts mehr gesagt.
Der französische Innenminister Bernard Cazeneuve bedankte sich bei den zwei Amerikanern für ihren beherzten Eingriff, den er als "heldenhaften Einsatz" umschrieb. Vermutlich hätten sie in letzter Sekunde eine verheerende Bluttat verhindert. Auch US-Präsident Barack Obama lobte den Mut der Passagiere, darunter US-Militärangehörige.
Der Anschlag hat sich bei voller Fahrt im belgisch-französischen Grenzgebiet zugetragen. Die Ermittlungen werden von der für Terrorismus zuständigen Staatsanwaltschaft in Paris geführt. Die meisten Thalys-Passagiere haben von dem bewaffneten Zwischenfall so gut wie nichts mitbekommen. Einige standen beim Not-Stopp in Arras jedoch unter Schock.
Laut "El País" lebte der Festgenommene ein Jahr in Spanien, bevor er nach Frankreich gezogen sei, und sei auch in Syrien gewesen. Zudem hatte er mehrere Waffen und Magazine bei sich. "Er hatte die Schießerei wirklich geplant", meinte der US-Soldat Skarlatos.
Details zum mutmaßlichen Attentäter und der Tat
Im Polizei-Verhör hat der Festgenommene terroristische Absichten bestritten. Dies berichtete die französische Nachrichtenagentur AFP am Samstag unter Berufung auf Polizeikreise. Demnach halten die Ermittler die Angaben des Mannes bislang aber nicht für stichhaltig. Er sei nach ersten Ermittlungen nie im Gefängnis gewesen und entspreche nicht dem Profil eines Kriminellen. Der Mann habe sich als 26 Jahre alter Marokkaner ausgegeben, die spanischen Behörden hätten ihn den Franzosen als radikalen Islamisten gemeldet.
Frankreichs Innenminister Bernard Cazeneuve hat den Angreifer aus dem Thalys-Zug als Terroristen bezeichnet. Der Mann wird verdächtigt, zur radikal-islamistischen Bewegung zu gehören, wie Innenminister Bernard Cazeneuve am Samstag in Paris bekanntgab. Die Identität des Mannes sei jedoch noch nicht abschließend geklärt. "Die Untersuchung ... soll sehr genau den Werdegang und die Bewegungen dieses Terroristen nachvollziehen", kündigte Cazeneuve an.
Cazeneuve nannte auch neue Details zum Ablauf des Vorfalls. Demnach entdeckte ein Franzose, der zur Toilette wollte, den Mann mit dem Sturmgewehr. Er habe versucht, diesen zu überwältigen, wobei mehrere Schüsse gefallen seien. Daraufhin seien Amerikaner eingeschritten, so konnte der Mann schließlich gestoppt werden.
Frankreich war in den vergangenen Monaten mehrfach Ziel von Terroranschlägen oder -plänen mit islamistischem Hintergrund. Im Januar schockierten die blutigen Attacken auf die Redaktion des Satiremagazins "Charlie Hebdo" und einen jüdischen Supermarkt das Land, Ende Juni sorgte ein brutaler Mord in einer Chemiefabrik bei Lyon für Schlagzeilen. Mehrfach berichtete die Behörden von vereitelten Terrorplots, beispielsweise gegen Kirchen. In der Region Paris gilt die höchste Terrorwarnstufe, Soldaten stehen vor gefährdeten Gebäuden Wache, die Regierung versprach mehr Polizisten.
Belgien erhöht Sicherheitsmaßnahmen
Noch am Freitagabend haben Frankreichs Präsident Hollande und Premierminister Michel telefoniert. Sie haben vereinbart, dass beide Länder die Ermittlungen in enger Zusammenarbeit führen werden. Nach dem Anschlag auf den Thalys-Zug hat Belgien seine Sicherheitsmaßnahmen verschärft.
Premierminister Charles Michel hat den Angriff scharf verurteilt. Wenige Stunden nach der Tat hat er gemeinsam mit Innenminister Jan Jambon die Sicherheitsmaßnahmen im Land erhöhen lassen, vermutlich in den großen Bahnhöfen des Landes. Details zu den Maßnahmen sind aber noch nicht bekannt. Die Regierung stehe ebenfalls in engem Kontakt mit den Behörden in Frankreich und den Niederlanden, erklärte der Sprecher von Regierungschef Michel. In Brüssel ist ebenfalls der Anti-Terrorstab zusammengekommen.
Die belgischen Stellen hielten engen Kontakt mit niederländischen und französischen Behörden. Die Ermittlungen werden von Frankreich aus geleitet. Da der Täter in Belgien lebte und am Brüsseler Südbahnhof in den Thalys einstieg, wird eine Delegation der belgischen Gerichtspolizei will die Ermittlungen in Frankreich unterstützen. Die belgische Polizei hat mittlerweile mit dem Auswerten der Bilder aus den Überwachungskameras am Südbahnhof begonnen. Auch die Kontaktpersonen der mutmaßlichen Täters werden ausfindig gemacht und vernommen. Geklärt werden muss vor allem die Frage, woher die Waffen stammen.
Möglicherweise wird am Wochenende die Terror-Warnstufe in Belgien erhöht.
Diese Woche war ein neues Drohvideo eines der Terrormiliz IS aufgetaucht, in dem ein Syrien-Kämpfer aus Antwerpen vor Angriffen in Belgien warnte.
Alain Kniebs / Olivier Krickel mit dpa - Bild: Philippe Huguen (afp)