Nach dem Rücktritt des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras hat in Athen das von der Verfassung vorgesehene Verfahren begonnen. Der Chef der stärksten Oppositionspartei, Evangelos Meimarakis von der Nea Dimokratia (ND), soll sondieren, ob seine Partei eine Regierungsmehrheit im Parlament findet. Die Erfolgschancen sind nach Einschätzung zahlreicher Analysten gering. Nach einem Treffen mit Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos sagte Meimarakis am Freitag: "Ich werde zusammen mit den anderen Parteien untersuchen, ob das heutige Parlament das Vertrauen - auch einer Minderheitsregierung - aussprechen könnte, die den europäischen Kurs des Landes sichern würde."
Der ND-Fraktion gehören 76 der insgesamt 300 Abgeordneten im Athener Parlament an. Um eine Regierungsmehrheit zu bilden, wäre Meimarakis auf eine breite Koalition inklusive Kommunisten und Rechtsextremen angewiesen - eine unwahrscheinliche Konstellation. Meimarakis schloss die Bildung einer großen Koalition mit der Syriza-Partei von Tsipras nicht aus - allerdings mit einem anderen Regierungschef, wie er sagte. Der ND-Chef nannte den bisherigen Vize-Regierungschef Giannis Dragasakis als Kandidaten. Griechische Kommentatoren räumten diesem Modell keine Chancen ein und rechneten weiterhin mit baldigen Neuwahlen. Solange die Sondierungsmandate laufen, bleibt Tsipras Regierungschef.
Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras war am Donnerstagabend zurückgetreten und will damit den Weg für zügige Neuwahlen frei machen. Wahrscheinlicher Wahltermin ist der 20. September. Tsipras hat seit Januar in einer Koalition mit der rechtspopulistischen Anel-Partei die Regierung geführt. Gemäß der Verfassung übernimmt nun eine Interimsregierung unter Leitung eines der höchsten Richter die Amtsgeschäfte bis zu den Wahlen. Staatspräsident Pavlopoulos erteilte zudem dem Chef der zweitstärksten Fraktion im Parlament, der konservativen Nea Dimokratia (ND), Evangelos Meimarakis, ein Sondierungsmandat zur Bildung einer neuen Regierung. Dies gilt als wenig aussichtsreich.
Alexis Tsipras strebt bei den Neuwahlen nach eigenen Worten ein neues, "starkes" Regierungsmandat an: Jetzt, wo das neue milliardenschwere Hilfspaket unter Dach und Fach sei, wolle er gestärkt mit den internationalen Geldgebern über eine Umstrukturierung des Schuldenbergs verhandeln.
Zuvor hatte Griechenland die ersten 13 Milliarden Euro aus dem dritten Hilfsprogramm der Euro-Partner erhalten und damit Schulden in Höhe von 3,4 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank (EZB) beglichen. Das Gesamtvolumen des Paktes beträgt 86 Milliarden Euro.
EU-Reaktionen auf Rücktritt von griechischem Regierungschef Tsipras
dpa/sh - Bild: Gouliamaki