Nach der Grundsatzeinigung auf ein neues Milliarden-Hilfsprogramm für das pleitebedrohte Griechenland stehen die entscheidenden Abstimmungen in Athen und anderen EU-Hauptstädten an. Die als Gegnerin der Sparmaßnahmen bekannte linke griechische Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou verschob gegen den Willen des Ministerpräsidenten die für Mittwoch geplante Debatte im Finanzausschuss auf Donnerstag und verärgerte damit Alexis Tsipras.
Das wichtige Abschlussvotum wird nun statt am späten Donnerstagabend erst in den frühen Morgenstunden am Freitag erwartet. Bei weniger als 120 Stimmen aus der Regierungskoalition für das Spar- und Hilfsprogramm gelten Neuwahlen als unausweichlich. Innenminister Nikos Voutsis warnte im griechischen Fernsehsender MEGA, mit weniger als 120 Abgeordneten könne man nicht an der Spitze einer Minderheitsregierung das Land führen. Dann gebe es "keine andere Möglichkeit" als Neuwahlen.
Laut Verfassung sind für Entscheidungen im Parlament mit seinen 300 Sitzen mindestens 120 Stimmen nötig. Sind weniger Abgeordnete anwesend, muss trotzdem eine relative Mehrheit von 120 Stimmen erreicht werden, damit ein Votum rechtskräftig ist.
Der Innenminister warf der Parlamentspräsidentin vor, Formalitäten als "Vorwand" zu nutzen, um das Verfahren hinauszuzögern. Konstantopoulou hatte sich wiederholt gegen jegliche weitere Sparmaßnahmen gestellt. Bereits im Juli verärgerte sie Regierung und Abgeordnete mit einer ähnlichen Hinhaltetaktik bei einer Abstimmung über andere Auflagen der Gläubiger. Die Abstimmung fand damals gegen vier Uhr morgens (Ortszeit) statt.
Der Regierungspartei Syriza droht wegen der Abstimmung die Spaltung. Der linke Flügel kündigte abermals an, er werde mit "Nein" stimmen und weitere Sparmaßnahmen ablehnen. Die Zustimmung des Parlaments ist Voraussetzung für weitere Hilfen der Gläubiger, die nach bisherigen Angaben bis zu 86 Milliarden Euro umfassen sollen.
Im Juli hatte der linke Syriza-Flügel zweimal gegen Reform- und Sparmaßnahmen gestimmt, die Bedingung für neue Finanzhilfen der internationalen Geldgeber waren. Fast jeder vierte Syriza-Abgeordnete verweigerte seine Zustimmung. Die Fraktion der Regierungsmehrheit schrumpfte bei einer dieser Abstimmungen von 162 auf nur noch 123 Abgeordnete. Eine Mehrheit für die Reformen kam jeweils nur mit Hilfe der Opposition zustande. Die meisten Oppositionsparteien haben auch dieses Mal ihre Zustimmung angekündigt.
Experten Griechenlands und der Geldgeber hatten sich in der Nacht zum Dienstag auf Bedingungen für neue Finanzhilfen geeinigt. Nach der Abstimmung im griechischen Parlament könnten am Freitag die Finanzminister der Euro-Staaten grünes Licht geben. Danach müssten noch der Bundestag in Berlin und andere nationale Parlamente die Einigung billigen.
Nach einer zuletzt in griechischen Medien veröffentlichten Liste mit Vorgaben der Gläubiger sollen etwa die Abgaben für Reeder erhöht, mehr Steuerfahnder eingesetzt sowie Steuerbegünstigungen für Landwirte und die Ägäisinseln abgeschafft werden.
EU erwartet Wirtschaftswachstum in Griechenland erst für 2017
Nach europäischer Einschätzung dürfte Griechenland auch im kommenden Jahr in der Rezession stecken bleiben. Erst für 2017 sei ein Wirtschaftswachstum von 2,7 Prozent zu erwarten, erklären europäische Volkswirte. 2018 gehe man von 3,1 Prozent aus, sofern die Vereinbarungen des neuen Hilfsprogramms umgesetzt würden und Wirkung zeigten. Im laufenden Jahr dürfte die griechische Wirtschaftsleistung um 2,3 Prozent schrumpfen.
Bei ihrer Frühjahrsprognose Anfang Mai war die Brüsseler EU-Kommission noch von einem Mini-Wachstum von 0,5 Prozent für 2015 ausgegangen. Die Lage habe sich durch die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen deutlich verschlechtert, heißt es aus der EU-Kommission.
dpa/sh/okr - Illustrationsbild: Aris Messinis/AFP