Erstmals seit Ende des zweiten Weltkriegs will Japan wieder Soldaten zu Kampfeinsätzen ins Ausland schicken. Das Unterhaus in Tokio stimmte am Donnerstag trotz massiver öffentlicher Proteste und eines Boykotts der Opposition für die umstrittene Gesetzesänderung. Diese bedeutet eine Neuinterpretation der pazifistischen japanischen Nachkriegsverfassung. Zehntausende Menschen demonstrierten im ganzen Land gegen die Reform.
Die neue Militärdoktrin gestattet den sogenannten japanischen Selbstverteidigungskräften Kampfeinsätze im Ausland zur Unterstützung von Verbündeten und zur Beilegung internationaler Konflikte. Japanische Soldaten beteiligten sich zwar auch schon bisher an internationalen Einsätzen, aber beschränkten sich dabei auf humanitäre und logistische Hilfe.
Japans konservativer Regierungschef Shinzo Abe bezeichnete die neue Militärdoktrin als unvermeidliche Antwort auf eine wachsende Militärmacht Chinas und neue Gefahren, denen Japan ausgesetzt sei. So sind etwa die Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer ein Zankapfel zwischen China und Japan, auch die Spannungen im Südchinesischen Meer könnten zunehmen. Als weitere Gefahr betrachtet Japan das nordkoreanische Atom- und Raketenprogramm. Japans Regierung kommt außerdem Wünschen des Bündnispartners USA entgegen.
"Die Regierung ist dafür verantwortlich, das Leben der Menschen und ein friedliches Umfeld in dieser immer schwierigeren Sicherheitssituation um unser Land sicherzustellen", sagte Regierungssprecher Yoshihide Suga am Donnerstag. Die Reform gilt als Neuinterpretation von Artikel 9 der pazifistischen japanischen Nachkriegsverfassung. Artikel 9 verbietet den Einsatz von Gewalt, Ausnahme ist Selbstverteidigung bei einem direkten Angriff auf Japan.
Die Militärreform ist in der Bevölkerung umstritten: Der Pazifismus ist tief verwurzelt, viele Japaner identifizieren sich mit der nach 1945 von der Besatzungsmacht USA ausgearbeiteten Verfassung. Tausende Menschen protestierten allein in Tokio. Sie befürchten, in internationale Konflikte hineingezogen zu werden.
Wie aus einer vor wenigen Tagen vom Sender NHK veröffentlichten Umfrage hervorgeht, lehnen 61 Prozent der Bevölkerung Abes Kurs ab. Eine große Mehrheit von Verfassungsexperten ist zudem der Ansicht, dass die Gesetze die Verfassung verletzen, wie die Tageszeitung "Asahi Shimbun" berichtete. Die Bevölkerung habe die Gesetze noch nicht ausreichend verstanden, sagte Abe vor der Abstimmung.
Die Gesetzgebung wurde mit den Stimmen der regierenden Liberaldemokraten (LDP) und ihrem Koalitionspartner Komeito gebilligt. Die oppositionelle Demokratische Partei und vier andere kleine Parteien boykottierten die Abstimmung. Das japanische Oberhaus muss binnen 60 Tagen abstimmen, eine Ablehnung könnte Abe mit einer Zweidrittelmehrheit im Unterhaus aufheben.
dpa/jp/rkr - Bild: Jiji Press (afp)