Mehrere zehntausend Menschen haben zum 20. Jahrestag des Völkermordes im ostbosnischen Srebrenica 136 neu identifizierte Opfer in der Gedenkstätte zu Grabe getragen. Der serbische Regierungschef Aleksandar Vucic, der Anfang der 1990er Jahre ein führender Verfechter der großserbischen Kriegspolitik gewesen war, wurde am Samstag ausgebuht, mit Steinen beworfen und leicht im Gesicht verletzt. Er verließ Srebrenica unter Polizeischutz.
An dem Totengedenken nahmen zahlreiche Staats- und Regierungschefs aus der Region sowie viele Minister aus Westeuropa teil. Neben dem früheren US-Präsidenten Bill Clinton und der ehemaligen Außenministerin Madeleine Albright war auch der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu in die Gedenkstätte gekommen, in der bisher 6241 der über 8000 ermordeten muslimischen Jungen und Männer beerdigt wurden. Serbisches Militär und Paramilitärs hatten das schwerste Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg verübt.
Politiker und Würdenträger hörten in der früheren Batteriefabrik 15 Reden, die zur Verfolgung der vielen noch nicht vor Gericht gestellten Täter und zur Versöhnung aufriefen. Die "Mütter von Srebrenica" verteilten an die in- und ausländischen Gäste die "Blume Srebrenicas" als Anstecker. Ihr weißer Blütenkranz soll die Unschuld der Opfer symbolisieren, ihr grünes Zentrum die Hoffnung.
Der aus Eupen stammende Tribunal-Staatsanwalt Serge Brammertz berichtete, das UN-Tribunal in Den Haag habe die 20 wichtigsten Befehlshaber des Genozids in Srebrenica vor Gericht gestellt und rund 2000 Zeugen gehört. Er rief die Behörden in Bosnien-Herzegowina und in den Nachbarländern auf, "noch Hunderte Gerichtsverfahren" gegen die Mittäter einzuleiten, die immer noch unbehelligt lebten. Brammertz ist dafür zuständig ist, dass die Verantwortlichen für den Völkermord bestraft werden, allen voran Radovan Karadzic und Ratko Mladic
Die ehemalige Batteriefabrik hatte den niederländischen UN-Soldaten - das sogenannte Dutchbat - damals als Hauptquartier gedient. Sie hatten das Massaker nicht verhindern können, obwohl die Vereinten Nationen Srebrenica zur "sicheren Schutzzone" erklärt hatten. Erstmals sprach zum Jahrestag auch ein niederländischer Außenminister. Bert Koenders räumte offen das Versagen seines Landes in Srebrenica ein und sagte den Opferfamilien: "Alle Niederländer trauern mit Ihnen."
Dutzende Imame aus dem ganzen Land führten die Trauerfeier an. Die Namen der 136 bestatteten Opfer wurden vorgelesen. Verwandte und Freunde trugen die Särge durch die Menschenmenge. Familienangehörige schaufelten am Ende die Gräber wieder zu.
dpa/fs/rop/rkr - Bild: Elvis Barukcic (afp)