Beim griechischen Referendum zum umstrittenen Sparkurs deuten Umfragen vom Sonntag auf einen knappen Erfolg der Reformgegner um Regierungschef Alexis Tsipras hin. In mehreren von Fernsehsendern nach Schließung der Wahllokale veröffentlichten Umfragen lagen die Reformgegner in der Tendenz vorn. Das Ergebnis der Volksabstimmung über die Sparvorgaben der internationalen Gläubiger sollte am Sonntagabend verkündet werden. Tsipras hatte seinen Anhängern versprochen, ein "Nein" werde seine Verhandlungsposition gegenüber den Geldgebern stärken.
Die Opposition und die europäischen Gläubiger aus EU-Kommission, IWF und Europäischer Zentralbank (EZB) warnten, ein "Nein" werde alles noch schwieriger machen. Es könne ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro und sogar aus der Europäischen Union nach sich ziehen. In der Volksabstimmung ging es um das letzte - inzwischen hinfällige - Angebot der Geldgeber. Es war am 30. Juni abgelaufen.
Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am Montag in Paris den französischen Präsidenten François Hollande treffen, um über die Konsequenzen aus dem griechischem Referendum zu beraten. Das teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Sonntagabend mit.
Die Wahlbeteiligung in Griechenland soll nach Berichten einheimischer griechischer Medien die 40 Prozent übertroffen haben. Damit wäre das Ergebnis rechtskräftig.
Die griechische Regierung kritisierte im scharfen Tonfall die Position der internationalen Geldgeber. "Was man mit Griechenland macht, hat einen Namen: Terrorismus", hatte Finanzminister Gianis Varoufakis vor dem Referendum in einem Interview der spanischen Zeitung "El Mundo" gesagt.
Regierungschef Tsipras appellierte an den Stolz seiner Landsleute. "Man kann den Willen einer Regierung ignorieren, aber nicht den Willen eines Volkes", sagte er bei der Stimmabgabe am Sonntag. Tsipras hatte die Volksabstimmung zur Verärgerung der Geldgeber überraschend angesetzt. Die Verhandlungen gerieten danach in eine Sackgasse. Noch zur Verfügung stehen Hilfsgelder in Milliardenhöhe für das von der Staatspleite bedrohte Land verfielen am Dienstag. Ohne neue Hilfskredite droht ein schneller Zusammenbruch der Banken und der Staatsfinanzen.
Unabhängig vom Ausgang des Referendums können die Griechen kaum mit einer schnellen Rettung rechnen. Die Bundesregierung dämpfte Hoffnungen im Euro-Krisenland, zügig frische Hilfsgelder zu erhalten.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) schloss am Wochenende ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone nicht aus. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) mahnte jedoch vor den Folgen. "Selbst wenn wir eine solche Entwicklung finanz- und währungspolitisch bewältigen können, wäre das Signal eines Grexit an die Länder außerhalb der EU verheerend", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag". China, Indien und die USA beobachteten genau, ob die Europäer diese Krise meisterten.
dpa/okr Bild: Louisa Gouliamaki / afp