Das Motiv ist bis heute rätselhaft. Eines aber ist sicher: Mit der legendären Ungezwungenheit bei Begegnungen zwischen Hollands Royals und dem Volk ist es seitdem vorbei. Hunderte Polizisten in Uniform und Zivil, Geheimdienstagenten und Scharfschützen - koordiniert vom Nationalen Büro für Terrorismusbekämpfung (NCTB) - sind in Apeldoorn im Einsatz, um die Königin vor Nachahmungstätern zu schützen.
Betonbarrieren
Wo am 30. April 2009 Gitterzäune den Attentäter nicht aufhalten konnten, der mit seinem Auto beim Festumzug zum Königinnentag durch die Zuschauermenge und auf den offenen Bus mit Beatrix und ihrer Familie zuraste, stehen nun Betonbarrieren. Zur Einweihung eines Denkmals für die Anschlagsopfer - drei Frauen und vier Männer - sind nur handverlesene und eigens überprüfte Gäste zugelassen.
"Absurd, aber unvermeidbar", nannte Apeldoorns Bürgermeister Fred de Graaf die Schutzvorkehrungen. "Bei der Vorbereitung auf diesen Tag sind alle Möglichkeiten von Anschlägen bedacht worden, selbst von einem Zeppelin aus oder mit einem Fallschirm." Nur bei der Frage, warum eigentlich jemand versuchen sollte, eine der beliebtesten Königinnen der Welt zu ermorden, ist man nicht weit gekommen.
Spekulationen
Verrückt war Karst Tates, der zuletzt als Gabelstaplerfahrer bei einer Apeldoorner Firma tätig war, jedenfalls nicht. Das haben verschiedene Untersuchungen ergeben. Nur wenig hat er noch selbst zur Aufklärung beitragen können. Tates hatte schwere Schädelverletzungen, nachdem er mit seinem schwarzen Suzuki Swift durch die Menge gerast und dann wenige Meter neben dem Festbus auf ein Denkmal geprallt war. "De koningin, de koningin", habe er gestammelt, ehe Feuerwehrleute ihn aus dem Kleinwagen schweißten, sagte ein Polizist.
Auch auf dem Weg ins Krankenhaus soll er angedeutet haben, dass die Monarchin und deren Sohn, Thronfolger Prinz Willem-Alexander, seine Ziele waren. Bis heute wurden Ergebnisse von Ermittlungen nur in Auszügen veröffentlicht. Kein Wunder, dass Spekulationen ins Kraut schossen. Gab es gar eine "deutsche Connection", fragten sich viele, nachdem es in Medienberichten hieß, Tates habe seine letzten Worte auf Deutsch gesprochen. Ein Wachtmeister gab demnach zu Protokoll, der Attentäter habe den Kronprinzen einen "Faschisten" und "Rassisten" genannt. Die Ermittlungen hätten keine Anzeichen für ideologische oder weltanschauliche Hintergründe ergeben, hieß es dazu bei den Behörden.
Unbestätigt blieben auch Berichte, der allein lebende Tates habe 2004 vor Bekannten geprahlt, er werde eines Tages "berühmt" mit einem "Anschlag auf das Königshaus". Vor wenigen Tagen kam der Krimiautor Tomas Ross mit einer neuen "heißen Spur": Tates habe 2003 zu den Wachleuten für die Villa Eikenhorst gehört, dem Wohnsitz von Prinz Willem-Alexander in Wassenaar bei Den Haag. Er sei damals entlassen worden, nachdem in den Medien Bilder der Villa auftauchten, für die man ihn verantwortlich machte. Das Dementi kam umgehend: In der fraglichen Zeit habe Tates bei einer Tankstelle gearbeitet, könne also nicht als Wachmann für den Thronfolger tätig gewesen sein, erklärte ein Regierungssprecher.
Das Attentat von 1584
So warten viele Niederländer noch immer auf eine Erklärung für die Bluttat. Begangen wurde sie übrigens 425 Jahre nach dem ersten tödlichen Anschlag auf einen Herrscher der Niederlande. 1584 erschoss der Attentäter Balthasar Gerards den "Vater des Vaterlandes" und Stammvater des niederländischen Königshauses Wilhelm von Oranien. Die Einschläge der Kugeln sind heute noch im Delfter Prinzenhof zu sehen. Das Motiv war glasklar: Gerards war ein fanatischer Katholik, der den calvinistischen Wilhelm abgrundtief hasste. Die allgemeine Empörung war damals so groß, dass der Attentäter mit glühenden Eisen gefoltert und schließlich gevierteilt wurde.
Thomas Burmeister (dpa) - Bild: epa