Nach der Ankündigung eines Referendums in Griechenland will die Eurogruppe das Rettungsprogramm für Athen nicht mehr über Ende Juni hinaus verlängern. Damit würden noch bereitstehende Milliardenhilfen für Griechenland verfallen. Das berichteten EU-Diplomaten am Samstag in Brüssel am Rande von Krisenberatungen der Eurogruppe, wie mehrere Nachrichtenagenturen melden.
Nach der überraschenden Ankündigung von Ministerpräsident Alexis Tsipras, das griechische Volk per Referendum über die Reform- und Sparvorschläge der Geldgeber abstimmen zu lassen, sahen die Euro-Finanzminister kaum noch eine Chance für eine Einigung. Bei einem Krisentreffen am Samstag in Brüssel war von einer dramatischen Lage die Rede. Die Euro-Gruppe lotet nun einen Plan B aus.
Aus Sicht des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble gibt es keine Grundlage mehr für weitere Verhandlungen mit Athen. Die griechische Regierung habe einseitig die Verhandlungen beendet, jetzt müsse gesehen werden, was daraus folge, sagte Schäuble. «Die Verhandlungen sind ja offenbar für beendet erklärt worden durch Herrn Tsipras, wenn ich ihn richtig verstanden habe», sagte Schäuble. Keiner der Euro-Kollegen sehe irgendeine Möglichkeit, was jetzt noch gemacht werden könne: «Wir müssen natürlich jetzt schauen, wie die Lage ist.» Das Hilfsprogramm für Athen ende am 30. Juni.
Tsipras hatte seinen Widerstand gegen die Vorschläge der Gläubigerinstitutionen aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF) bekräftigt und für Sonntag kommender Woche ein Referendum angekündigt. Völlig offen ist aber die Fragestellung für eine solche Volksabstimmung. Zugleich hatte sich Athen dafür ausgesprochen, das am 30. Juni auslaufende Hilfspaket noch einmal um einige Tage zu verlängern.
Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem zeigte sich enttäuscht. «Ich bin negativ überrascht.» Die griechische Entscheidung für ein Referendum habe «die Tür für weitere Gespräche» mit Athen geschlossen. Dies sei eine sehr traurige Situation für Griechenland. Athen habe den letzten Vorschlag der Geldgeber-Institutionen abgelehnt. Ob es eine Verlängerung des Hilfsprogramms geben kann, sagte er nicht.
Österreichs Finanzminister Hans Jörg Schelling sprach von einer äußerst dramatischen und schwierigen Situation: «Ich glaube, es ist das passiert, was eigentlich nie passieren hätte sollen.» Durch das Verhalten der griechischen Regierung sei die Zeit verloren gegangen, um Verhandlungen zu führen. «Griechenland hat den Verhandlungstisch jetzt verlassen.» Eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms über den 30. Juni hinaus schloss Schelling aus. Nun müsse auch über Alternativen gesprochen werden.
Nach Angaben des finnischen Finanzministers Alexander Stubb ist die Mehrheit der Euro-Gruppe gegen eine Verlängerung. «Plan B wird nun zu Plan A», sagte Stubb. Er sprach von einem schlechten Tag für die Griechen. Die Tür für weitere Gespräche sei nun geschlossen.
Van Overtveldt: Pläne für Volksbefragung sind bizarr
Belgiens Finanzminister Johan Van Overtveldt nannte die Referendumspläne «bizarr». Es sei ein wenig widersprüchlich, wenn die Athener Regierung ankündige, das Volk zu befragen und zugleich betone, dass sie selbst das Programm ablehne. Der 30. Juni rücke immer näher und es werde sehr, sehr schwierig.
Etwas optimistisch zeigte sich hingegen EU-Währungskommissar Pierre Moscovici. Er hält eine Einigung der Eurogruppe noch für möglich. «Eine Abmachung ist nicht außer Reichweite», sagte der Franzose. IWF-Chefin Christine Lagarde erklärte nur, die Arbeiten würden fortgesetzt.
Ohne eine Einigung verfallen Ende Juni die blockierten Kredithilfen der Geldgeber in Höhe von 7,2 Milliarden Euro. Dies betrifft auch knapp elf Milliarden Euro, die eigentlich für die Stabilisierung griechischen Banken reserviert sind. Am 30. Juni muss Athen zudem auch eine Kreditrate von 1,54 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen. Ob dies angesichts leerer Kassen gelingt, ist offen. Eine Zahlungsunfähigkeit schon unmittelbar am 1. Juli bei endgültig gescheiterten Verhandlungen gilt aber als ausgeschlossen.
Debatte im griechischen Parlament
Tsipras hatte in der Nacht zum Samstag angekündigt, das Volk solle Sonntag in einer Woche entscheiden, ob Griechenland die von den Gläubigern geforderten Maßnahmen umsetzen soll. Er selbst lehnt sie ab, will die Entscheidung des Volkes aber akzeptieren. Darüber musste das Parlament noch debattieren.
Der konservative Oppositionsführer Antonis Samaras kritisierte Tsipras als verantwortungslos. Griechenland werde gespalten und Tsipras fordere vom Volk eine Entscheidung, die er selbst nicht treffen wolle.
dpa/est - Foto: Angelos Tzortzinis/AFP