Kurz vor einer entscheidenden Sitzung der Euro-Finanzminister über die Rettung Griechenlands vor der drohenden Staatspleite hat Athen überraschend ein Referendum über die Sparprogramme angesetzt. Regierungschef Alexis Tsipras kündigte am frühen Samstagmorgen im Fernsehen die Abstimmung für den 5. Juli an. Da am Dienstag bereits eine Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) von rund 1,6 Milliarden Euro ansteht, wollte er «eine kleine Verlängerung» des laufenden Hilfsprogramms beantragen.
«Manche der Institutionen und der Partner haben wohl die Absicht, ein ganzes Volk zu demütigen», warf Tsipras den Geldgebern vor. «Morgen (Samstag) wird das Parlament tagen, um diese Volksabstimmung zu genehmigen», sagte der griechische Premier weiter. «Ich werde das Ergebnis Eurer Entscheidung akzeptieren», sagte Tsipras.
«Die Partner haben uns ultimativ aufgefordert, noch mehr Sparlast zu akzeptieren.» Dies würde aber ein weiteres Schrumpfen der griechischen Wirtschaft bewirken. «Wir tragen die historische Last, die Demokratie zu festigen. Diese Verantwortung zwingt uns, auf Grund des Willens des Volkes zu entschieden.»
Die Euro-Finanzminister wollen sich am Samstag mit der griechischen Regierung auf ein Reform- und Sparpaket einigen. Dies ist Voraussetzung dafür, dass Griechenland bisher blockierte milliardenschwere Hilfsgelder bekommt.
Auch "Plan B" wird angesprochen
Nach Angaben von EU-Diplomaten werden die Finanzminister auch über «Plan B» diskutieren, wenn es bis Samstagabend nicht zu einer Einigung kommt. Damit wird üblicherweise eine Pleite oder ein Euro-Austritt Griechenlands umschrieben. Der irische Finanzminister Michael Noonan hatte schon bei einem Eurogruppen-Treffen vor wenigen Tagen gesagt: «Die Option lautet, Plan B vorzubereiten.»
Beim EU-Gipfel hatten die Staats- und Regierungschefs zuvor Tsipras gemahnt, eine Einigung zu finden. Athen steht kurz vor der Pleite. Das aktuelle Rettungsprogramm der Europäer für Griechenland läuft am Dienstag aus. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel rief die griechische Regierung auf, das «außergewöhnlich großzügige Angebot» der Geldgeber anzunehmen.
Athen ist unter Druck, da am Dienstag eine Rückzahlung an den Internationalen Währungsfonds (IWF) von rund 1,6 Milliarden Euro ansteht. Für eine Verlängerung muss sich Athen mit den Geldgebern EU-Kommission, IWF und Europäische Zentralbank (EZB) auf ein Spar- und Reformpaket einigen. «Wir sind dem Tag nahe, an dem das Spiel aus ist», sagte EU-Gipfelchef Donald Tusk.
Für den Fall einer Einigung bieten die internationalen Geldgeber eine konkrete Perspektive. Sie schlagen eine Verlängerung des griechischen Rettungsprogramms um fünf Monate bis Ende November vor, wie Diplomaten am Rande des Gipfels berichteten. Insgesamt sollen Athen dann 15,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden.
Das Geldgeber-Angebot stößt nach Angaben von Diplomaten aber auch auf Widerstand im Kreise der Euro-Finanzminister, so etwa beim deutschen Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. Der betonte am Freitag, die Zeit laufe am Dienstag ab: «Der 30. Juni ist der 30. Juni und nicht der 1. Juli.»
Griechen plündern Geldautomaten
Unmittelbar nach der Ankündigung der Volksabstimmung mit der Frage Ja oder Nein zu einem möglichen Sparprogramm haben sich vor den Geldautomaten in Griechenland lange Schlangen gebildet. Einige Geldautomaten waren wegen des Ansturms leer, berichteten Augenzeugen. Viele Griechen fürchten, dass egal was das Ergebnis des Referendums sein werde, ein Austritt Griechenlands aus der Eurogruppe unabwendbar sei und heben soviel Geld wie möglich ab.
Das von Athen angekündigte Referendum über die Sparprogramme hat in Brüssel für Verärgerung gesorgt. Das geplante Referendum habe alles noch komplizierter gemacht, sagte ein EU-Diplomat in Brüssel. Der Zeitplan sei nun nicht mehr einzuhalten. Man müsse nun über einen Plan B reden, hieß es. Damit wird üblicherweise eine Pleite oder ein Euro-Austritt Griechenlands umschrieben.
dpa/sd/est - Foto: John Thys/AFP