Alle Jahre wieder stehen tausende Protestler vor eilig aufgestellten Sicherheitszäunen rund um den G7-Gipfel. Sie sind gegen die Treffen, oder gegen die Positionen der teilnehmenden Staaten. Dabei ist der Grundgedanke der Treffen gar nicht so schlecht. Denn oft können Probleme in kleiner Runde effizienter angepackt werden, als wenn sie erst durch die Mühlen der Demokratie laufen müssten. Problematisch wird es allerdings, wenn solche exklusiven Treffen plötzlich eine größere Rolle in Verhandlungen spielen, als die demokratisch gewählten Vertreter der beteiligten Nationen.
So ist das auch bei den Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen TTIP. Das Abkommen soll, laut Verhandlungspartnern, den Handel zwischen Europa und den USA vereinfachen. Das bedeutet konkret, dass Handelshemmnisse wie zum Beispiel Zölle oder unterschiedliche Qualitätsnormen abgebaut werden. Außerdem werden Investitionen ausländischer Unternehmen geschützt.
In einer globalisierten Welt sind solche Abkommen nötig und wichtig, gehandelt wird nirgendwo nur national. Aber wenn die Interessen von Unternehmen bei so einem Abkommen schwerer wiegen, als die der Bürger in den beteiligten Staaten, dann hat unsere Demokratie ein Problem. Und genau das ist bei TTIP der Fall.
Das Beispiel des G7-Gipfels ist dabei nur ein Symptom eines Problems, das leider auch in den Grundfesten der Europäischen Union verankert ist. Denn obwohl das EU-Parlament seit dem Vertrag von Lissabon mehr Kompetenzen hat, bleibt die EU-Kommission in vielen Vorgängen noch federführend. So werden die Verhandlungen ums TTIP auch nicht von demokratisch gewählten Volksvertretern geführt, sondern von hochrangigen Beamten.
Die Befürchtung, dass das TTIP unterm Strich mehr den Konzernen als den Bürgern dient, ist also berechtigt. So könnten, laut bisherigem Informationsstand, ausländische Unternehmen hier Waren verkaufen, die Unternehmen aus der EU nicht mal produzieren dürften. Siehe Chlorhühnchen oder gentechnisch veränderte Lebensmittel. Und auch europäische Unternehmen, allen voran die der Automobil- und Chemieindustrie, würden profitieren. Schlimmer noch, denn unter derzeitigen Voraussetzungen würden Unternehmen sogar eine eigene Gerichtsbarkeit bekommen, sowie einen offiziellen Weg, Einfluss auf Gesetze zu nehmen, bevor sie vom Parlament beschlossen werden.
Die Diskussion ums TTIP ist also eigentlich eine Grundsatzdiskussion. Eine, die in unserer globalisierten Welt längst überfällig ist. Denn worum es im Grunde geht, ist, die Machtverhältnisse zwischen Verbraucher und Unternehmen zu klären. Wollen wir mehr Exporte, in der Hoffnung, dass von den neuen Einnahmen auch irgendwo etwas für den kleinen Mann abfällt, aber mit der einseitigen Option für Konzerne, den kleinen Mann auch einfach ganz zu übergehen? Oder wollen wir bessere Standards auf beiden Seiten und eine Industrie, die nicht einfach so in der Lage ist, Regierungen Gesetzentwürfe zu diktieren oder gleich ganze Volkswirtschaften zu verklagen?
Die Frage, wessen Interessen bedeutender sind, stellt sich Verbrauchern bei uns genauso wie in den USA. Deshalb ist es auch so wichtig, dass die Diskussion und die Verhandlungen öffentlich und transparent geführt werden. Gewinnen kann am Ende nur Einer. Und hier stehen die Kontrahenten nicht diesseits und jenseits des Atlantiks, sondern oben und unten im Sozialgefüge unserer Gesellschaft.