Joseph Blatter hat nur vier Tage nach seiner erneuten Wiederwahl völlig überraschend seinen Rücktritt als Präsident des Fußball-Weltverbandes angekündigt. Der 79 Jahre alte Schweizer gab die Entscheidung am Dienstag am Hauptsitz der FIFA in Zürich bekannt.
Nach 17 Jahren an der Spitze formulierte Blatter Worte, die selbst im Sumpf der andauernden Korruptionsvorwürfe an seinen Verband niemand erwartet hätte. "Ich habe ernsthaft über meine Präsidentschaft nachgedacht und über die vierzig Jahre, in denen mein Leben untrennbar mit der FIFA und diesem großartigen Sport verbunden gewesen ist", sagte Blatter. Durch die Wahl am vergangenen Freitag habe er noch einmal das Mandat durch die FIFA-Mitglieder bekommen, "aber ich habe das Gefühl, dass ich nicht das Mandat der gesamten Fußball-Welt habe. Daher habe ich entschieden, mein Mandat bei einem außerordentlich Kongress niederzulegen."
UEFA-Präsident Michel Platini, der Blatter einen Tag vor dessen erneuter Wahl noch den Rücktritt nahegelegt hatte, begrüßte Blatters Schritt: "Es war eine schwierige Entscheidung, eine mutige Entscheidung, und die richtige Entscheidung", erklärte Platini in einer schriftlichen Stellungnahme.
Blatters Nachfolger als FIFA-Präsident soll voraussichtlich bei einem Sonderkongress des Weltverbands zwischen Dezember 2015 und März 2016 gewählt werden. Diesen Zeitraum nannte Domenico Scala, Chef der FIFA-Compliance-Kommission, nach Blatters Rücktrittsankündigung. Gemäß Statuten des Weltverbands seien mindestens vier Monate zur Vorbereitung eines Wahlkongresses notwendig. Der nächste reguläre FIFA-Kongress ist erst für den 12. und 13. Mai 2016 in Mexiko-Stadt vorgesehen. "Dies wurde eine unnötige Verzögerung bedeuten", sagte Blatter.
Bis zu der außerordentlichen Zusammenkunft der FIFA wird Blatter sein Amt noch ausüben. Scala soll ihm bei der Umsetzung von dringend notwendigen Reformen helfen. "Ich habe Domenico Scala gebeten, die Einführung und Umsetzung dieser und anderer Maßnahmen zu beaufsichtigen", erklärte Blatter.
"Tiefe Sorge um die FIFA und ihre Interessen"
Blatter wirkte relativ gefasst, als der 79-Jährige seine Worte in französischer Sprache vortrug. Vom Kampfgeist, seiner vermeintlichen Aufbruchstimmung wie noch bei seiner Wiederwahl am Freitag war aber nichts mehr zu spüren. Dieser Skandal, bei dem vor allem die US-Justiz ermittelt, war zu viel. "Es ist meine tiefe Sorge um die FIFA und ihre Interessen, die mich zu dieser Entscheidung veranlasst hat", sagte Blatter am Ende seiner wohl schwersten Rede. "Ich möchte denen danken, die mich immer unterstützt haben in konstruktiver und loyaler Weise als Präsident der FIFA", betonte Blatter. 1998 hatte er den Posten übernommen.
Seine Entscheidung war ungeachtet der erneuten Zuspitzung der Ereignisse am Dienstag völlig unabsehbar. Nur wenige Medienvertreter hatten es überhaupt zu der Pressekonferenz in Zürich geschafft, nachdem sie gut eine Stunde vor dem geplanten Beginn erst angekündigt worden war. Nach einer dreiviertelstündigen Verspätung hatte Kommunikationschef Walter De Gregorio das Wort an Blatter übergeben.
Viele hatten schon damit gerechnet, dass die Zukunft von Generalsekretär Jérôme Valcke bei der FIFA gefährdet wäre. Die "New York Times" hatte am Dienstag berichtet, dass die US-Ermittler der Ansicht seien, Valcke sei "der hochrangige FIFA-Offizielle", der 2008 zehn Millionen Dollar von einem FIFA-Konto in der Schweiz auf ein US-Konto überwiesen habe. Die FIFA hatte dies umgehend zurückgewiesen.
Unabhängig von den neuen Enthüllungen und Dementis: Die FIFA hinterließ unter Blatter eine verheerendes Bild in der Öffentlichkeit. Nun will Blatter den Weg für eine neue Zukunft der FIFA freimachen. "Ich liebe die FIFA mehr als alles andere und will nur das tun, was am besten für die FIFA und den Fußball ist", erklärte Blatter.
dpa/mh/km - Bild: Valeriano Di Domenico/AFP