Irlands Kirchenoberhäupter sehen im Hirtenbrief des Papstes zum Missbrauchsskandal einen Neuanfang - vielen Opfern allerdings geht er nicht weit genug. Statt nur die Vergangenheit zu verurteilen, hätte Papst Benedikt XVI. mehr auf Konsequenzen und die Zukunft eingehen müssen, war am Samstag von irischen Opferverbänden zu hören. Vor allem aber hätte er die Art und Weise verurteilen sollen, wie die Kirche den Missbrauch systematisch und über Jahre verdeckt gehalten habe, sagte die Leiterin der Opfergruppe "One in Four", Maeve Lewis.
Die Täter schützen
"Papst Benedikt hat eine glorreiche Möglichkeit verstreichen lassen, den Kernpunkt des kirchlichen Missbrauchsskandals anzusprechen: Die absichtliche Politik der katholischen Kirche bis in die höchsten Ebenen, Missbrauchstäter zu beschützen und damit Kinder zu gefährden", sagte Lewis. Opfer Andrew Madden erklärte, er habe keine Bestätigung gebraucht, dass Missbrauch eine Straftat und Sünde sei. "Die Entschuldigung von heute gilt nicht für die Verschleierung", sagte er. Das aber sei ebenfalls eine Sünde gewesen, da deshalb viele Kinder weiterem Missbrauch ausgesetzt worden seien.
Der Papst hätte konkreter sagen sollen, wie es nun weitergeht, forderte die ehemalige Lehrerin Michelle Marken laut dem Sender BBC. Statt den Besuch von hohen Vatikan-Verteretern anzukündigen, müsse er selber nach Irland kommen und die Aufdeckung der Straftaten vorantreiben.
Eine Erneuerung?
Kirchenleute hingegen begrüßten die Worte des Papstes - auch, wenn diese sich teilweise gegen ihr eigenes Verhalten richteten. Der Brief sei ein zentraler Schritt auf dem Weg zu einer Erneuerung der Kirche, sagte das Oberhaupt der irischen katholischen Kirche, Kardinal Sean Brady, am Samstag in einer Messe im nordirischen Armagh. Er selber steht in der Kritik, weil er in den 1970er Jahren dabei gewesen sein soll, als zwei missbrauchte Kinder ein Schweigegelübde ablegen mussten. Immer wieder wird deshalb sein Rücktritt gefordert. Er hatte schon zuvor erklärt, er wolle darüber nachdenken.
"Lasst uns beten, dass dies jetzt der Beginn einer großen Zeit der Wiedergeburt der irischen Kirche wird", sagte Brady. "Niemand geht davon aus, dass die derzeitige, schmerzhafte Situation schnell gelöst werden kann. Doch mit Beharrlichkeit, Gebeten und gemeinsamer Arbeit können wir nach Ansicht des Heiligen Vaters zuversichtlich sein, dass die katholische Kirche in Irland eine Zeit der Wiedergeburt und spirituellen Erneuerung erleben kann."
Kirchliches Versagen
Der zweitwichtigste Mann der irischen Kirche, der Dubliner Erzbischof Diarmuid Martin, betonte hingegen die Rolle der Kirche bei den Straftaten: "Der Papst erkennt das Versagen der kirchlichen Autoritäten in der Art und Weise, wie sie mit den schändlichen und kriminellen Taten umgegangen sind, an."
Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche ist in Irland seit langem ein großes Thema. In den vergangenen Jahren waren immer wieder erschreckende Details ans Tageslicht gekommen, wie Pfarrer und andere Kirchenleute ihre Schützlinge missbraucht und die Kirche die Taten systematisch verdeckt hatte. Vor wenigen Wochen waren die irischen Bischöfe nach Rom gereist, um mit dem Papst das Thema aufzuarbeiten. Den Hirtenbrief hatte der Papst im vergangenen Dezember angekündigt, nachdem der Skandal in Irland weltweit Aufsehen erregt hatte. Auch in den vergangenen Tagen hatten sich immer wieder Opfer gemeldet und zum ersten Mal über ihr Leid gesprochen.
mit dpa - Bild: epa