FIFA-Präsident Joseph Blatter hat den mit Spannung erwarteten Kongress des Fußball-Weltverbandes eröffnet. Der Schweizer forderte die 209 Mitglieder im Hallenstadion von Zürich angesichts des jüngsten Korruptionsskandals zur aktiven Mitarbeit auf. "Heute rufe ich Sie zum Teamgeist auf, damit wir gemeinsam fortschreiten können. Wir sind zusammengekommen, um die Probleme anzupacken", sagte der Schweizer in seiner Begrüßungsansprache.
Kongress-Höhepunkt ist die Wahl des Präsidenten, bei der Blatter gegen Prinz Ali bin al-Hussein weiterhin als Favorit gilt. Allerdings zeichnet sich die wohl knappste Entscheidung bei einer FIFA-Wahl ab, seitdem Blatter 1998 die Regentschaft übernahm. Die Abstimmung über eine mögliche fünfte Amtszeit Blatters steht als 17. Punkt auf der Agenda des Treffens und wird nicht vor 17:00 Uhr erwartet.
Zumindest die 54 Stimmen Afrikas galten als sicher für Blatter. UEFA-Chef Michel Platini, der Blatter noch am Donnerstag in einem persönlichen Gespräch zum Rücktritt aufgefordert hatte, rechnet mit 45 oder 46 der 53 europäischen Stimmen für Al-Hussein, darunter sicher die des Deutschen Fußball-Bundes. Schon ein zweiter Wahlgang, der nötig wäre, wenn Blatter im ersten Anlauf keine Zwei-Drittel-Mehrheit erreicht, wäre zumindest ein symbolischer Erfolg für die Blatter-Gegner, die erst am Donnerstag auf einen kurzzeitig erwogenen Boykott verzichteten.
Auf Antrag der USA wurde beschlossen, dass die Wahl nicht mit dem elektronischen Wahlsystem, sondern per Stimmzettel erfolgen soll. Die FIFA rechnet mit einem ungewöhnlich langen Kongress. Die traditionelle Pressekonferenz mit dem Präsidenten wurde schon vorab auf Samstag (11:30 Uhr) verlegt, im Anschluss an die anberaumte Sondersitzung des FIFA-Exekutivkomitees, bei der über die künftigen WM-Startplatzquoten entschieden werden soll.
"Die Ereignisse von Mittwoch haben einen echten Sturm ausgelöst", sagte Blatter zur Festnahme von sieben Funktionären, darunter seine Stellvertreter Jeffrey Webb und Eugenio Figueredo. "Machen wir uns an die Arbeit, bleiben wir konzentriert, keine langwierigen Diskussionen, gehen wir nach vorne, suchen wir die Lösung", sagte der 79-Jährige Blatter zu den Zukunftsaufgaben der FIFA.
Kurz vor dem Beginn des FIFA-Kongresses hatten vor dem Hallenstadion mehrere Dutzend Menschen lautstark für einen Ausschluss Israels aus dem Fußball-Weltverband demonstriert. Der palästinensische Verband hat für die Vollversammlung der 209 FIFA-Mitgliedsländer einen entsprechenden Antrag gestellt. Im Kongresssaal wurden zwei Frauen rasch abgeführt, die Parolen riefen und eine Palästina-Fahne schwenkten.
Top-Themen des Kongresses
Die weiteren Haupt-Themen des Kongress: NIERSBACH IN FUSSBALL-WELTREGIERUNG Als Nachfolger von Theo Zwanziger zieht Wolfgang Niersbach in das FIFA-Exekutivkomitee ein. Der 64-Jährige war von den Delegierten der Europäischen Fußball-Union UEFA für das Amt bestimmt worden. Niersbach lässt sich eine Übernahme des Sitzes bei einer Wiederwahl Blatters zwar offen, ein sofortiger Rückzug ist allerdings kaum erwartbar. Die erste wichtige Amtshandlung wird das Ringen um die Anzahl der europäischen Startplätze bei der WM 2018 am Samstag.
PALÄSTINA VS ISRAEL Der Verband Palästinas verlangt einen Ausschluss Israels aus dem Weltverband, da Spieler in ihrer Bewegungsfreiheit behindert worden sein sollen. Die benötigte Dreiviertelmehrheit dürfte der Antrag bei der Abstimmung zwar nicht bekommen. Dass Blatter dieses Politikum allerdings auch durch Besuche bei Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas nicht beenden konnte, ist jedoch ein Ärgernis für den Schweizer.
CHEFERMITTLER Nach dem Rückzug von Michael Garcia wird ein neuer Chefermittler der FIFA-Ethikkommission bestimmt. Bislang hatte der Schweizer Rechtsanwalt Cornel Borbély den Vorsitz der Untersuchungskammer übernommen. Garcia hatte die Ermittlungen zu möglichen Korruptionsfällen bei der Vergabe der WM 2018 an Russland und 2022 an Katar geleitet. Gegen den Zwischenbericht seines 430 Seiten umfassenden Reports hatte er Einspruch eingelegt. Dieser war von der FIFA-Berufungskommission abgewiesen worden. Garcia war daraufhin von seinem Posten zurückgetreten.
dpa/jp - Bild: Fabrice Coffrini (afp)