Das Wrack des vor einem Monat im Mittelmeer gesunkenen Flüchtlingsbootes mit Hunderten Leichen soll nun doch geborgen werden - und nach dem Willen von Regierungschef Matteo Renzi die europäischen Nachbarn wachrütteln. "Ich will, dass die ganze Welt sieht, was geschehen ist", sagte er am Dienstagabend in einem Interview dem TV-Sender Rai. Die aktuellen Rettungseinsätze anderer EU-Staaten, darunter Deutschlands, sieht er kritisch: "Es geht nicht, dass einige Länder Schiffe schicken und dann alle Flüchtlinge hier bei uns lassen."
Italien fühlt sich mit den Tausenden Migranten überfordert, die aus Afrika übers Mittelmeer kommen. Renzi fordert eine Verteilung per Quote. Bisher sind die Staaten zuständig, wo Flüchtlinge erstmals die EU erreichen.
Bei einem der bislang schwersten Flüchtlingsunglücke im Mittelmeer waren Mitte April vermutlich Hunderte Migranten ertrunken. Nur etwa 24 Leichen waren geborgen worden, 28 Menschen überlebten. Wie die Bergung des Bootes konkret ablaufen soll und wann das geschehen soll, ist bislang noch nicht klar.
Gegen einen Quoten-Vorschlag der EU-Kommission gibt es unter anderem Widerstand aus Großbritannien, das bereits angekündigt hat, nicht mitzumachen, sowie aus den baltischen und einigen osteuropäischen Staaten. "Die Länder haben zugestimmt, ihre Schiffe zu schicken, und sie müssen auch das Prinzip der Quoten akzeptieren", forderte Renzi. "Es ist nicht akzeptabel, dass einige Leute weiterhin nach dem Motto "aus den Augen, aus dem Sinn" handeln."
Nach Angaben von Renzi soll die Bergungsaktion etwa 15 bis 20 Millionen Euro kosten. "Ich hoffe, das wird die EU bezahlen, andernfalls zahlt es Italien", sagte er. Eine Reaktion der EU-Kommission auf die Forderungen aus Italien gab es zunächst nicht.
Das Mitte April gesunkene Boot war vor etwa zwei Wochen von der italienischen Marine geortet worden. Es liegt etwa 85 Seemeilen nordöstlich der libyschen Küste in etwa 375 Metern Tiefe. Bislang hat die Marine nur einen Unterwasserroboter zu dem Wrack geschickt, der laut Renzi "entsetzliche Bilder" lieferte.
Die Staatsanwaltschaft in Catania hatte erklärt, die Bergung sei für die Ermittlungen nicht notwendig, teuer und langwierig. Generell werden die Opfer der Flüchtlingstragödien im Mittelmeer oft nicht geborgen, da meist gar nicht bekannt ist, wo ihre Boote genau gekentert sind. Ein Ausnahme war das Flüchtlingsdrama vor Lampedusa im Oktober 2013, als ein Boot direkt vor der Küste der Insel kenterte und Hunderte Leichen geborgen werden konnten.
dpa/fs - Bild: Alberto Pizzoli (afp)