Nach dem verheerenden Himalaya-Erdbeben haben die Helfer in Nepal und Indien bislang mehr als 2.400 Leichen geborgen. Die Einsatzkräfte korrigieren die Zahl der Erdbebenopfer in der Region fast im Stundentakt nach oben. Am Sonntagmorgen war zunächst noch von 1.900 Todesopfern die Rede gewesen.
Mindestens 18 Menschen starben am Mount Everest, wo eine gewaltige Lawine über das Basislager hinwegfegte. Große Teile der Infrastruktur Nepals und viele Häuser wurden zerstört. Die Behörden sprachen am Sonntag von Tausenden Verletzten. Und sie fürchteten, dass die Zahl der Toten weiter steigen werde. Nepal war am Vortag von einem Beben der Stärke 7,8 erschüttert worden. Auch in den umliegenden Ländern China, Indien und Bangladesch starben Menschen, als ihre Häuser über ihnen zusammenfielen.
Am Sonntag erschütterte ein heftiges Nachbeben der Stärke 6,7 die Region. Das Zentrum habe diesmal nordöstlich der Hauptstadt Kathmandu nahe der Grenze zu China gelegen, teilte die US-Erdbebenwarte mit.
Krankenhäuser überfüllt
Nepal hat den Notstand in den betroffenen Gebieten ausgerufen, in denen nach UN-Angaben 6,6 Millionen Menschen leben. Die Krankenhäuser und Leichenhäuser seien überfüllt, Blutkonserven und Medikamente gingen zur Neige, erklärten die Vereinten Nationen. Schulen und Universitäten bleiben für eine Woche geschlossen. Die Stromversorgung könnte lange ausfallen, da das Erdbeben die Wasserkraftwerke beschädigt hat, von denen Nepal fast all seinen Strom bezieht.
Zum Zeitpunkt des Lawinenunglücks hielten sich nach offiziellen Angaben etwa 1.000 Bergsteiger und Träger am Mount Everest auf. Die Leichen im Basislager seien von einem Expeditions-Team der indischen Armee gefunden worden, erklärte diese. Nach Angaben der Polizei in Lukla klärte sich das schlechte Wetter am Morgen auf und Helikopter konnten ins Basislager starten. 61 Verletzte seien ins Tal gebracht worden.
Derzeit ist die Hauptsaison am 8.848 Meter hohen Berg in vollem Gange. Nach Angaben von Expeditionsleitern und Angehörigen sind unter den Toten am Mount Everest ein Australier, ein US-Amerikaner und ein Chinese. Der Bergsteiger Alex Gavan berichtete aus dem Basislager, die Helikopter brächten derzeit Seile und Eisschrauben in die höher gelegenen Camps. Dort säßen viele Bergsteiger fest, da die Aufstiegsroute zerstört sei, schreibt er auf seiner Homepage.
Belgier unter den Todesopfern?
Ob sich auch Belgier unter den Todesopfern befinden könnten, ist noch nicht ganz geklärt. Nach Angaben des Außenministeriums halten sich derzeit etwa 90 Belgier in der Erdbeben-Region auf. Ein zunächst vermisster Klimaforscher sei wohlauf. Für besorgte Angehörige wurde eine Krisenhotline eingerichtet. Außenminister Reynders erklärte, dass zu etwa 60 Belgiern bereits eine positive Kontaktaufnahme erfolgt sei. Zu 28 Personen bestehe noch kein Kontakt. Die Bemühungen auch diese Landsleute zu erreichen, liefen auf Hochtouren, so Reynders.
Außenminister Reynders kündigte zudem an, ein 45 Mann starkes B-Fast Team in die Erdbebenregion zu schicken. Die Einsatzkräfte sollen um 20 Uhr am Sonntagabend von Melsbroek aus nach Kathmandu aufbrechen. An Bord der Militärmaschine würden auch Helfer aus Luxemburg und Deutschland mitreisen. Nach mehreren Zwischenstopps soll die Militärmaschine mit den 45 Helfern am Montagmittag in Nepal eintreffen. Dort wird mit den Behörden vor Ort entschieden, wo die Helfer eingesetzt werden.
Tausende haben ihr Haus verloren
Die meisten Menschen in Nepals Hauptstadt Kathmandu verbrachten die Nacht im Freien, eingewickelt in Decken gegen die Himalaya-Kälte. Tausende haben ihre Häuser verloren oder fürchten sich, in die Gebäude zurückzukehren. Laut Augenzeugen zitterte die Erde 24 Stunden nach dem ersten Beben noch immer. Selbst der Präsident Ram Baran Yadaf habe in einem Zelt geschlafen, sagte sein Sprecher in einem lokalen Radio. Am Sonntag kam es zu einem heftigen Nachbeben, das laut US-Erdbebenwarte eine Stärke von 6,7 hatte.
Länder aus aller Welt schickten Flugzeuge mit Hilfsgütern wie Nahrungsmitteln, Medikamente und Kommunikationsgeräten. Allein der große Nachbar Indien flog 43 Tonnen Material ein, darunter Zelte und Wasser. Auch mehrere Helikopter wurden zur Verfügung gestellt. Millionenbeträge verschiedener Regierungen und von Google sollen ebenfalls die Not lindern helfern.
Ärzte ohne Grenzen Belgien entsendet 10-köpfiges Hilfsteam
Ärzte ohne Grenzen Belgien entsendet am Sonntagnachmittag ein 10-köpfiges Hilfsteam von Zaventem aus nach Nepal. Die Organisation teilte mit, das Team setze sich aus einem Chirurgen, einem Anäthesisten, Ärzten und Krankenpflegern zusammen. Am Montag und am Dienstag würden zudem zwei Transportflugzeuge in das Krisengebiet Nepal aufbrechen.
An Bord der von Ärzte ohne Grenzen gecharterten Maschinen befänden sich jeweils 25 Tonnen Hilfsgüter wie Medikamente, OP-Material und Geräte zur Wasserreinigung und Kommunikation.
Fast nirgendwo Strom
Fast nirgendwo in Kathmandu gab es Strom, manche Menschen halfen sich mit Solarlampen. "Wir laden unsere Handys an Autobatterien auf", sagte Alina Shrestha von World Vision, die selbst betroffen ist. Etwa 30 Nachbarn hätten die Nacht in Zelten in ihrem Hof verbracht. Sie höre Helikopter, aber Soldaten oder Polizisten habe sie in ihrem Stadtviertel noch nicht gesehen.
Wie es in vielen abgelegenen Städte und Dörfern in dem Himalaya-Land aussieht, war zunächst kaum zu überblicken. Das Dorf Barmak, unter dem das Epizentrum des Bebens lag, sei fast vollständig zerstört, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. "Ich habe meine Angehörigen und alle meine Nachbarn verloren", sagte eine Frau auf Jaybageshwari einem örtlichen Radiosender. "Kann jemand, der überlebt hat, uns helfen? Wir haben weder Essen noch Kleidung. Alles ist weg."
Augenzeugen berichten, vielfach hätten die Menschen nur noch Kekse und Trockenfrüchte übrig. Hilfsorganisationen fürchten, dass bald auch das Wasser ausgeht. Auch die Ärzte sind an vielen Orten bereits überlastet. "Unter den Toten sind viele Kinder", sagte Doktor Pratab Narayan aus dem Teaching-Krankenhaus. "Wir sind völlig überwältigt von der Zahl an Menschen."
dpa/vrt/belga/rkr/mh/mg - Bild: Prakash Mathema (afp)