Im Vorfeld hatten sie alle noch demonstrativ ihre Betroffenheit zum Ausdruck gebracht, die Tusks, Merkels, Hollandes und Camerons nahmen Worte in den Mund wie "Tragödie", "humanitäre Notsituation", "Drama". Dann verschwanden sie hinter den Mauern des Brüsseler Ratsgebäudes.
Bei dem Sondergipfel wollten die Staats- und Regierungschefs über eine gemeinsame Antwort auf die jüngsten Flüchtlingstragödien im Mittelmeer beraten. Unmittelbarer Anlass war der Untergang eines Schleuserschiffs am Wochenende, bei dem schätzungsweise rund 800 Menschen ums Leben kamen.
"Wir brauchen jetzt wirklich entschlossene Maßnahmen, ein klares Signal", hatte Premierminister Charles Michel im Vorfeld des Gipfels noch betont. Einige Stunden später: das Ergebnis. Zunächst die guten Neuigkeiten: "Ja, wir werden die Präsenz im Mittelmeer erhöhen und uns mehr Mittel für die Seenotrettung geben", bestätigte Premierminister Charles Michel am Donnerstagabend nach Abschluss des Sondergipfels in Brüssel. Und Belgien habe angeboten, ein Schiff inklusive Besatzung beizusteuern.
Insgesamt sollen die Mittel der EU-Missionen Triton und Poseidon im Mittelmeer verdreifacht werden. Damit stehen für die EU-Grenzschutzmissionen "Triton" und "Poseidon" monatlich rund neun Millionen Euro pro Monat zur Verfügung. Diese Summe entspricht dem Budget der italienischen Vorgängermission "Mare Nostrum". Diese hatte nach Angaben aus Rom mehr als 100.000 Flüchtlinge vor dem Ertrinken gerettet. Dennoch hält die Kritik an der EU an.
Die Gipfelteilnehmer vereinbarten auch, den Kampf gegen Schleuserbanden deutlich zu verschärfen. Wie Ratspräsident Donald Tusk erklärte, sollen auch Militäreinsätze geprüft werden, um von Schleusern in Libyen zum Flüchtlingstransport genutzte Schiffe zu zerstören. Frankreich und Großbritannien wollen sich im UN-Sicherheitsrat um ein entsprechendes Mandat bemühen.
Die EU-Außen- und Sicherheitsbeauftragte Federica Mogherini wurde also beauftragt, eine solche Militäroperation gegen Schleuserbanden vorzubereiten. Zeitgleich wollen sich Frankreich und Großbritannien im UN-Sicherheitsrat um ein entsprechendes Mandat bemühen.
Soweit die Ergebnisse. Im Grunde, wenn man's mal zusammenfasst, wird eigentlich genau das Programm wieder aufgenommen, das im vergangenen Jahr eingestellt wurde. Das wird dann zwar nicht mehr "Mare Nostrum" heißen, die bestehende Triton-Mission wird aber quasi mit denselben Mitteln ausgestattet.
Erwähnenswerter ist deshalb fast schon, worauf man sich nicht einigen konnte. Im Raum stand zum Beispiel die Forderung nach einer faireren Verteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas. Die westlichen EU-Länder haben mehr als nur den Eindruck, dass die östlichen Staaten da mehr tun könnten. Dieser Ansicht ist auch der belgische Premier: "Wir könnten da noch viel mehr tun."
Und auch über die Schaffung legaler Fluchtwege nach Europa gab es keine Einigung. Anders gesagt: Es bleibt bei der "Festung Europa", nach dem Motto: "Jeder für sich, aber gemeinsam hinter einer hohen Mauer."
"Ja, ich denke, da war mehr drin", sagt auch Charles Michel. Wir müssen in den nächsten Wochen und Monaten noch viel Überzeugungsarbeit leisten, um einige andere Mitgliedsländer zu der Einsicht zu bringen, dass wir da alle gemeinsam mehr tun müssen.
dpa/cd/rop - Archivbild: Venezia Filippo (epa)