Bei der Germanwings-Katastrophe hat der Copilot mehrfach bewusst eingegriffen, um das Flugzeug absichtlich zum Absturz zu bringen. Das steht nach der detaillierten Auswertung der beiden Flugschreiber fest, wie der deutsche Verkehrsminister Alexander Dobrindt am Mittwoch erläuterte. Gut vier Wochen nach der Katastrophe vom 24. März informierte er gemeinsam mit Lufthansa-Chef Carsten Spohr den Bundestags-Verkehrsausschuss über den Stand der Ermittlungen.
Der Airbus der Lufthansa-Tochter Germanwings war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf in den französischen Alpen an einer Felswand zerschellt. Alle 150 Menschen an Bord starben, unter ihnen 72 Deutsche. Der Copilot, der seinen Kollegen wohl aus dem Cockpit aussperrte, hatte den Ermittlern zufolge 2009 eine schwere Depression und war damals suizidgefährdet. Am Absturztag war er krankgeschrieben.
Verkehrspiloten warnten indes in Frankfurt vor voreiligen Schlüssen aus dem Absturz. Unbeirrbares Ziel der Luftverkehrswirtschaft müsse es bleiben, aus den Fehlern zu lernen, um die Flugsicherheit zu verbessern, sagte der Präsident der Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC), Ilja Schulz. Die öffentliche Abhandlung etlicher Einzelheiten inklusive einer "medialen Hetzjagd" auf einen vermeintlich psychisch kranken Copiloten habe bereits sehr viel Vertrauen in den Grundsatz "Safety First" zerstört, kritisierte er beim Deutschen Verkehrspilotentag.
Minister Dobrindt sagte in Berlin, der 27-jährige Copilot habe bei dem Absturz sowohl die Höhe als auch die Geschwindigkeit des Flugzeugs nachgesteuert und zudem aktiv das Steuer betätigt. Diese Aufzeichnungen von Stimmenrekorder und Flugdatenschreiber hätten die Handlungsfähigkeit des Mannes "voll nachgewiesen". Dobrindt kündigte für Mai einen Testflug auf der Route von Unglücksflug 4U9525 an, um letzte noch offene Fragen zu klären. Das soll etwa aufgezeichnete Geräusche besser einordnen helfen, zu denen sich nichts auf dem Datenrekorder wiederfindet. Ein Zwischenbericht soll nach Dobrindts Worten "relativ bald" veröffentlicht werden. Es werde noch einige Wochen dauern, aber bei weitem nicht das vom Gesetzgeber maximal vorgesehene Jahr.
In der rund anderthalbstündigen Ausschusssitzung hinter verschlossenen Türen wurde nach Auskunft des Vorsitzenden Martin Burkert auch über die Frage der Entschädigungen gesprochen. Details wurden nicht bekannt. Die Anwälte der Hinterbliebenen formieren sich für die Verhandlungen mit der Lufthansa. Die durchschnittliche Entschädigung pro Opfer dürfte siebenstellig werden.
Zur zugesagten Soforthilfe von 50.000 Euro je Opfer sagte Lufthansa-Chef Spohr, inzwischen seien "so gut wie alle Angehörigen, die dafür Ansprüche angemeldet haben, bereits mit ersten Zahlungen ausgestattet". Wann die sterblichen Überreste übergeführt werden könnten, liege in den Händen der französischen Behörden, die sich dazu noch nicht geäußert hätten. "Wir erwarten auch, wie die Angehörigen, dass wir dazu hoffentlich bald etwas konkretere Aussagen bekommen", sagte Spohr.
Beim Verkehrspilotentag in Frankfurt warf der Präsident der internationalen Pilotenvereinigung Ifalpa, Martin Chalk, den französischen Ermittlern klare Verstöße gegen die Regeln zu Flugunfalluntersuchungen vor. Einzelheiten aus den Flugschreibern und der Krankengeschichte des verdächtigen Co-Piloten hätten nicht veröffentlicht werden dürfen, sagte der Brite.
dpa/mh - Archivbild: Sascha Schuermann (afp)