Der Absturz einer Germanwings-Maschine nach Düsseldorf hat in Südfrankreich wahrscheinlich 150 Menschen das Leben gekostet. Unter den Opfern sind nach Angaben der französischen Regierung wohl viele Deutsche. Das Flugzeug vom Typ Airbus A320 war am Dienstag in Barcelona gestartet und stürzte nahe des Ortes Digne im Département Alpes-de-Haute-Provence ab. "Es gibt keinen Überlebenden", zitierte die Zeitung "Le Figaro" den französischen Verkehrsstaatssekretär Alain Vidalies.
Deutschen Sicherheitsbehörden zufolge gibt es keinen Hinweis auf einen terroristischen Anschlag. Es handelt sich vermutlich um das schwerste Unglück in der Geschichte des Lufthansa-Konzerns. Die Absturzursache ist unklar.
Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine befürchtet die Stadt Haltern, dass Schüler aus dem westfälischen Ort an Bord waren. "Wir müssen davon ausgehen", sagte ein Stadtsprecher nach einem Gespräch mit der Polizei. Zwei Lehrer und 16 Schüler seien für den Flug gebucht, erklärte die Kreisverwaltung Recklinghausen. Eine Bestätigung gab es zunächst nicht. Das Joseph-König-Gymnasiums wurde geschlossen, in der Schule wurde ein Krisenstab gebildet. Polizei und Feuerwehr fuhren am Dienstagnachmittag vor. Notfallseelsorger waren im Einsatz, Schüler legten Blumen nieder. Im Internet schreibt die Schule, dass bis zu diesem Dienstag ein einwöchiger Gegenbesuch in einer Schule von Barcelona geplant gewesen sei. Im Dezember hatte es einen Besuch von zwölf Austauschschülern aus Spanien an der Schule gegeben.
Nach dem Absturz der Germanwings-Maschine hat NRW-Innenminister Ralf Jäger für Dienstag und Mittwoch Trauerbeflaggung für alle Dienstgebäude des Landes und der Gemeinden angeordnet. "Damit werde die tiefe Betroffenheit über dieses schreckliche Unglück zum Ausdruck gebracht", erklärte Jäger. "In Gedanken sind wir bei den Familienangehörigen und Freunden der Opfer."
Französische Gendarmerie hat das Absturzgebiet der Germanwings-Maschine zwischen Digne und Barcelonnette für den Beginn der Untersuchungen abgeriegelt. Die Absturzstelle liegt auf etwa 1500 Metern Höhe, einige Kilometer von Le Vernet im Blanche-Tal entfernt, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtete. Die Gendarmerie habe bestätigt, dass alle Insassen des abgestürzten Airbus tot seien.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich tief erschüttert. Sie will am Mittwoch zur Absturzstelle reisen, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verkehrsminister Alexander Dobrindt bereits am Dienstag.
Schock, Entsetzen und Trauer
Am Flughafen Düsseldorf löste die Nachricht vom Absturz Schock, Entsetzen und Trauer aus. An der VIP-Lounge, die der Flughafen für Angehörige und Seelsorger zur Verfügung stellte, kamen Angehörige mit völlig verweinten Augen an. Von einem "rabenschwarzen Tag für den Flugverkehr" sprach Airport-Sprecher Thomas Kötter. Man haben gegen 11:30 Uhr die Info bekommen, dass die Maschine vom Radar verschwunden sei. Seitdem organisiere ein Krisenstab die Maßnahmen am Airport, Notfallseelsorger kümmerten sich um die Angehörigen.
Dem Online-Dienst Flightradar24 zufolge hätte der Airbus mit der Flugnummer 4U9525 laut der ursprünglichen Planung um 10:55 Uhr in Düsseldorf landen sollen. Die Maschine sei mit einer Geschwindigkeit von 3000 bis 4000 Fuß - etwa 900 bis 1200 Meter - pro Minute heruntergegangen. Das sei vergleichbar mit dem Standard bei Landeanflügen. Eine Sporthalle des südostfranzösischen Bergortes Seyne-les-Alpes wird nach einem TV-Bericht für die Aufbahrung der Opfer des Germanwings-Absturzes eingerichtet.
Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel äußerte sich tief erschüttert. "Der Absturz der deutschen Maschine mit über 140 Menschen an Bord ist ein Schock, der uns in Deutschland - und der Franzosen und Spanier - in tiefe Trauer stürzt", sagte Merkel im Kanzleramt. Sie betonte, es gebe noch nicht viele Informationen über die Ursache des Absturzes. Jede Spekulation verbiete sich. "Jetzt ist die Stunde, in der wir alle große Trauer empfinden." Das Ausmaß des Leides, das über so viele Menschen gekommen sei, sei unermesslich.
Laut dem französischen Verkehrsstaatssekretär stürzte die Maschine im Estrop-Massiv rund 100 Kilometer nordwestlich von Nizza ab. "Das ist eine Region, in der Schnee liegt und die für Fahrzeuge nicht erreichbar ist, aber die mit Hubschraubern überflogen wurde." Die Nahrichtenagentur AFP berichtete, Gendarmerie-Hubschrauber hätten Trümmerteile entdeckt.
Die Ursache für den Absturz wird nach Ansicht eines Branchenexperten erst in einigen Wochen endgültig geklärt sein. "Ich denke, dass es einen Monat dauert, bis wir Genaueres über die Unfallursache wissen", sagte Luftfahrt-Analyst Thomas Saquer von der Unternehmensberatung Frost & Sullivan.
Lufthansa-Chef Carsten Spohr zeigte sich tief erschüttert von dem Unglück. "Wir sind in Gedanken bei denen, die heute Menschen, die sie lieben, verloren haben", sagte er vor Journalisten in der Frankfurter Unternehmenszentrale. Man werde den Angehörigen jede erdenkliche Hilfe anbieten. Derzeit konzentriere sich alles auf eine Aufklärung der Lage, sagte Airbus-Sprecher Stefan Schaffrath.
Auch Germanwings kündigte nach dem Absturz rasche Hilfe an. "Germanwings wird alle Kräfte aufbieten, um allen Betroffenen schnell und unbürokratisch zu helfen und ihnen ihr schweres Schicksal zu erleichtern, so gut es irgend geht", sagte Geschäftsführer Oliver Wagner. "Das Geschehene tut uns unendlich leid."
Spanisches Königspaar bricht nach dem Absturz Staatsbesuch ab
Unter den Opfern sind nach Angaben der Madrider Regierung auch viele Spanier. Auf der Passagierliste des Flugzeugs stünden 45 Reisende mit spanischen Nachnamen. Die staatliche spanische Flughafengesellschaft Aena bestätigte, dass unter den Passagieren der Unglücksmaschine mehrere Spanier gewesen seien. Das spanische Königspaar Felipe VI. und Letizia sagte seinen gerade begonnenen Staatsbesuch in Frankreich ab. Ob es Belgier unter den Opfern gibt, ist noch nicht bekannt.
Französische Kommentatoren sprachen vom schwersten Flugunglück in Frankreich seit dem Concorde-Absturz am 25. Juli 2000. Auf dem Air-France-Flug 4590 war das Überschallflugzeug damals kurz nach dem Start vom Flughafen Paris-Charles de Gaulle abgestürzt, wobei alle 109 Insassen sowie vier Menschen am Boden ums Leben kamen.
Der Airbus A320 ist das erfolgreichste Airbus-Modell. Von dem Mittelstrecken-Jet sind weltweit fast 3700 Maschinen im Einsatz. Die jetzt abgestürzte Airbus-Maschine war mehr als 24 Jahre alt.
Französische Fluglotsen sagen Streik ab
Die französische Fluglotsen-Gewerkschaft hat einen von Mittwoch bis Freitag angekündigten Streik abgesagt. Das berichtet die französische Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf einen Gewerkschaftssprecher. "Wir verschieben unsere Streik-Ankündigung aufgrund der in den Kontrollräumen nach dem Absturz ausgelösten Ängste, vor allem in Aix-en-Provence."
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belga/dpa/cd/km - Bild: Oliver Berg/AFP