Israels rechtsorientierter Regierungschef Benjamin Netanjahu hat am Wahltag mit Warnungen vor "Massen arabischer Wähler" scharfe Kritik ausgelöst. "Kein führender westlicher Politiker würde es wagen, solche rassistischen Kommentare abzugeben", schrieb Shelly Jachimovich von der Mitte-Links-Opposition Zionistisches Lager am Dienstag auf Facebook.
Netanjahu hatte vorher auf Facebook rechtsorientierte Wähler zur Rettung seiner Machtbasis aufgerufen. "Die Herrschaft der Likud-Partei ist in Gefahr", schrieb Netanjahu. "Arabische Wähler gehen in Massen in die Wahllokale, linksorientierte Organisationen bringen sie in Bussen dorthin."
Das neue arabische Parteienbündnis könnte nach Umfragen erstmals drittstärkste Kraft im Parlament werden. Netanjahu warf linksorientierten Organisationen und ausländischen Regierungen vor, arabische Parteien mit Riesensummen zu unterstützen.
Der Vorsitzende des Zionistischen Lagers, Izchak Herzog, sagte nach Angaben der Nachrichtenseite "Ynet": "Netanjahu ist in Panik, er verliert die Contenance." Herzogs Partei kann nach letzten Umfragen mit einem Vorsprung rechnen. Die Übermacht des rechten Lagers könnte ihn jedoch daran hindern, eine stabile Regierung zu bilden. Herzog gab in Tel Aviv seine Stimme ab und sagte, die Bevölkerung Israels habe die Wahl zwischen Wandel und Hoffnung oder Verzweiflung und Enttäuschung.
Die Wahlbeteiligung lag am Abend bei 54,6 Prozent, etwas niedriger als bei der letzten Wahl 2013 zur gleichen Zeit. Landesweit öffneten mehr als 10.000 Wahllokale. Knapp 5,9 Millionen Wahlberechtigte waren aufgerufen, die 120 Abgeordneten im Parlament neu zu bestimmen. Das neue Parlament soll am 31. März vereidigt werden.
Netanjahu: Keine große Koalition
Netanjahu schloss bei der Stimmabgabe in Jerusalem eine große Koalition mit dem Zionistischen Lager aus. "Ich werde eine nationalistische Regierung bilden." Sein erster Koalitionspartner werde die national-religiöse Siedlerpartei von Naftali Bennett sein. Offenbar als Anreiz für rechte Wähler hatte sich Netanjahu am Montag auch gegen die Gründung eines Palästinenserstaates ausgesprochen und damit eine Kehrtwende vollzogen.
Der Ausgang der Wahl entscheidet sich nach Einschätzung von Experten durch das Verhältnis zwischen dem rechten und dem linken Block. Auch wenn Herzogs Partei stärkste Fraktion werden sollte, bedeutet dies nicht automatisch, dass er von Präsident Reuven Rivlin mit der Regierungsbildung beauftragt wird. Ausschlaggebend für die Koalition könnte Mosche Kachlon und seiner neuen Mitte-Rechts-Partei Kulanu sein.
Die Parlamentsneuwahl war notwendig geworden, nachdem Netanjahus Mitte-Rechts-Koalition Ende vergangenen Jahres nach weniger als zwei Jahren im Amt auseinandergebrochen war. Im Wahlkampf hatte Netanjahu wiederholt auch vor einer atomaren Aufrüstung des Irans gewarnt. Das Zionistische Lager sprach sich vor allem für eine Friedensregelung mit den Palästinensern aus und forderte mehr soziale Gerechtigkeit in Israel.
dpa/mh/km - Bild: Sebastian Scheiner/AFP