Mehr als zwei Monate nach dem mörderischen Anschlag auf das Satiremagazin "Charlie Hebdo" leckt Frankreich noch immer seine Wunden. Die Bedeutung freiheitlicher Werte wie Toleranz soll an den französischen Schulen jetzt wieder verstärkt unterstrichen werden. Über 1.000 Lehrer werden derzeit in Paris weitergebildet und sollen schon bald in den Schulen im ganzen Land eingesetzt werden.
Frankreich will aber gleichzeitig von den anderen EU-Staaten erfahren, wie sie mit der Problematik der Radikalisierung umgehen. Bildungsministerin Najat Vallaud-Belkacem ihre europäischen Kollegen um sich versammelt, um über Lösungsansätze zu beraten. An dem informellen Treffen in Paris nimmt auch Belgien teil.
"Die Schule muss Werte und Wissen vermitteln. Auch die Sprache spielt eine besondere Rolle. Denn wer die Landessprache nicht spricht, der wird sich schneller abkapseln und auf Gewalt zurückgreifen", sagt die französische Bildungsministerin Vallaud-Belkacem.
"Flandern plant ein mobiles Team von 20 Islam-Experten. Sie sollen mit den Schülern in Dialog treten und Argumente für die Demokratie liefern", erklärt die flämische Bildungsministerin Hilde Crevits. Die speziell ausgebildeten Lehrer sollen ein Gegenpol zu den Hasspredigern sein. Sie sollen aufklären, den Islam erklären und ihn nicht missbrauchen – wie die radikalen Kräfte das tun. Das Experten-Team soll schon bald einsatzbereit sein und alle flämischen Schulen besuchen.
"Dialog" – das ist das Zauberwort der Bildungsminister. Überall in Europa soll das Unterrichtswesen mit den verschiedenen Religionen in Kontakt treten. Der ostbelgische Bildungsminister Harald Mollers hat solche Gespräche bereits mit der muslimischen Gemeinschaft in Eupen geführt. "Wenn man in diesem Bereich vorankommen will, dann kann man das nur gemeinsam tun", erklärt Mollers. "Das muss man also im Dialog mit den verschiedenen Religionsgemeinschaften erörtern. Was können wir gemeinsam tun, damit Integration besser gelingt auf der einen Seite, und auf der anderen Seite Tendenzen wie Radikalisierung vermieden werden?"
Das beschränke sich aber nicht auf den Religionsunterricht in der Schule. Andere Faktoren in der Gesellschaft würden ebenfalls dazu beitragen, dass gewisse Jugendliche sich ausgeschlossen fühlen und zur leichten Beute für die Islamisten werden. "Bildung hat die Verantwortung, jungen Menschen Lebensperspektiven zu bieten. Ich denke da zum Beispiel an das besorgniserregende Thema der Jugendarbeitslosigkeit an sehr vielen Stellen in Europa. Das leistet sicherlich einen Beitrag dazu, dass Radikalisierung einen Nährboden findet. Da muss man auch gemeinsame Anstrengungen unternehmen."
Das Problem der Radikalisierung ist europaweit identisch, die Lösungsansätze oft sehr verschieden. Die Konferenz in Paris soll dazu beitragen, dass nicht jeder das Rad neu erfinden muss. Insgesamt 25 Bildungsminister nehmen an der Konferenz in Paris teil. Aus Belgien sind Joëlle Milquet für die Französische Gemeinschaft und Hilde Crevits für Flandern dabei. Harald Mollers ist nicht nach Paris gereist.
Bild: Patrick Kovarik/AFP