Wegen der Spannungen in der Ost-Ukraine wird die Nato ihre Truppen in den Anrainerstaaten von 15.000 auf 30.000 Mann verdoppeln. Das hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg am Mittwoch im Hauptquartier der europäischen Nato-Streitkräfte in Mons angekündigt.
Stoltenberg sprach von der größten Aufrüstungsaktion seit dem Ende des Kalten Krieges. Stationiert werden die Truppen unter anderem in Estland, Lettland, Bulgarien und Rumänien.
Von den Konfliktparteien in der Ukraine verlangte der Nato-Generalsekretär Aufklärung über den Verbleib ihrer schweren Waffen.
Die Nato befürchtet, dass die pro-russischen Separatisten ihre schweren Waffen nur zur Vorbereitung einer neuen Offensive zurückziehen könnten. "Wir begrüßen die Waffenruhe, (...) aber absolut wichtig ist, dass die Überwachung verbessert wird", sagte Stoltenberg. Es müsse Informationen darüber geben, wo die schweren Waffen seien und wie viele es gebe. "Die kurze Antwort ist: Ja", sagte Stoltenberg auf die Frage, ob er das Risiko sehe, dass Waffen für neue Kämpfe nur umpositioniert werden.
Neue Angaben zur geschätzten Zahl von russischen Soldaten im Kriegsgebiet machte die Nato nicht. Man sehe immer noch "russische Präsenz und eine starke Unterstützung für die Separatisten", sagte Stoltenberg. "Russland ist noch immer in der Ostukraine." Oberbefehlshaber Philip Breedlove ergänzte, Problem sei die noch immer weit offene Grenze zwischen Russland und den von Separatisten kontrollierten Gebieten.
Dem Vorschlag einer EU-Armee begegnet Stoltenberg mit Skepsis. Er warnte vor dem Aufbau von Doppelstrukturen. "Es ist an der EU zu entscheiden, wie sie ihre Kooperation in Verteidigungs- und Sicherheitsfragen organisiert", sagte Stoltenberg. Es müsse aber darauf geachtet werden, dass keine Redundanzen entstünden.
Russland steigt ganz aus Waffenkontrollvertrag aus
Stoltenberg kritisierte die Entscheidung Russlands, aus dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) auszusteigen. "Wir sind enttäuscht (...), weil wir überzeugt sind, dass es wichtig ist, über die Kontrolle und Reduzierung von Waffen zu reden", sagte der Norweger. Für die Nato sei die Vereinbarung wichtig.
Russland hatte zuvor mit sofortiger Wirkung die gemeinsame Kontrolle konventioneller Streitkräfte durch den KSE-Vertrag beendet. Der Schritt soll aber nicht mit den politischen Spannungen zwischen Russland und dem Westen in der Ukraine-Krise zusammenhängen.
Wegen der Ausdehnung der Nato auf Staaten, die früher zum Warschauer Pakt gehörten, wollte die Führung in Moskau den KSE-Vertrag neu verhandeln, wie der Verteidigungspolitiker Viktor Oserow der Agentur Interfax zufolge erklärte. Der Kreml wirft dem Westen vor, dieses Anliegen verzögert zu haben und hatte den Vertrag bereits 2007 ausgesetzt.
Der Westen verlangt von Russland als Bedingung für eine Vertragsänderung, Truppen aus den von Georgien abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien sowie aus Transnistrien abzuziehen, das völkerrechtlich zur Ex-Sowjetrepublik Moldau gehört. Russland gilt als Schutzmacht der abtrünnigen Gebiete.
Erste Trainings der "Speerspitze" im April
Am Rande des Besuchs von Stoltenberg in Mons stellte die Nato Details zu den Übungsplänen der neuen superschnellen Eingreiftruppe vor. Demnach ist vorgesehen, vom 7. April an zum ersten Mal eine Alarmierung zu trainieren. Im Juni steht dann erstmals eine Übung mit Verlegung der Truppe nach Polen an.
Die auch "Speerspitze" genannte Eingreiftruppe ist Kern des neuen Nato-Abschreckungskonzepts, das im Zuge der russischen Intervention in der Ukraine entwickelt wurde. Die Truppe soll aus mindestens 5000 Soldaten bestehen, die innerhalb von zwei bis sieben Tagen verlegt werden können - beispielsweise in die baltischen Staaten, die sich besonders von Russland bedroht fühlen.
Die USA wollen das ukrainische Militär mit weiteren Rüstungsgütern im Wert von 75 Millionen Dollar (71 Millionen Euro) beliefern. Darunter seien unbewaffnete Drohnen, Mörserabwehrsysteme und Funkgeräte, aber auch Militär-Krankenwagen und Erste-Hilfe-Kasten sowie Geländewagen, wie ein Regierungssprecher sagte. Eine Entscheidung über die Lieferung von Waffen hält sich Präsident Barack Obama nach wie vor offen.
dpa/rkr/km - Bild: Olivier Hoslet/AFP