Nach einem vom Ukraine-Konflikt überschatteten Wahlkampf hat die Regierungskoalition in Estland ihre absolute Mehrheit eingebüßt. Die liberale Reformpartei von Regierungschef Taavi Rõivas und die mitregierenden Sozialdemokraten verloren insgesamt sieben Mandate. Die Reformpartei bleibt jedoch stärkste Kraft im Parlament und Rõivas dürfte auch der künftige Regierungschef sein. Allerdings standen schwierige Koalitionsverhandlungen bevor.
Nach dem vorläufigen Endergebnis kommt die Reformpartei auf 30 von 101 Sitzen. Dahinter folgt die linksgerichtete Zentrumspartei, die über enge Kontakte zu Moskau verfügt, (27 Sitze) vor den mitregierenden Sozialdemokraten mit 15 Sitzen. Eine Zusammenarbeit mit der Zentrumspartei schloss Rõivas aus. Stammwähler der Zentrumspartei sind die Mitglieder der russischen Minderheit Estlands, die etwa ein Viertel der rund 1,3 Millionen Einwohner ausmacht.
Die konservative Freie Partei eroberte auf Anhieb acht Sitze, die EU-skeptische Konservative Volkspartei erreichte sieben Mandate. Das nationalkonservative Wahlbündnis IRL verlor neun Sitze und stellt künftig 14 Abgeordnete. Die Wahlbeteiligung lag mit 64,2 Prozent etwas höher als 2011. Jeder fünfte Wähler in Estland stimmte per Computer ab.
Die Wahl stand unter dem Eindruck der Ukraine-Krise, die in Estland neue Sicherheitsängste ausgelöst hatte. Während die bisherige Regierung auf stärkere Nato-Präsenz drängt, plädiert die Zentrumspartei für mehr Dialog mit Moskau.
Die veränderte Zusammensetzung des Parlaments erfordere eine «breit angelegte Zusammenarbeit zwischen den Parteien», betonte Präsident Toomas Hendrik Ilves. Er will nun Konsultationen mit den Parlamentsparteien aufnehmen. Es wurde mit längeren Koalitionsverhandlungen gerechnet.
Die Reformpartei will am Montagabend das Wahlergebnis diskutieren, teilte ein Sprecher mit. Noch in der Nacht wurde Rõivas von Medien bei Gesprächen mit den Parteichefs der Sozialdemokraten und der Freien Partei gesichtet.
belga/dpa/jp/est - Foto: Thierry Charlier (afp)