Nach dem Attentat auf den Kremlgegner Boris Nemzow hat die russische Hauptstadt für diesen Sonntag überraschend eine Trauerkundgebung für 50.000 Menschen im Zentrum von Moskau genehmigt. Darauf hätten sich Oppositionsvertreter am Samstag bei Verhandlungen mit der Stadt geeinigt, teilten die Behörden mit.
Die Initiative ging demnach von dem Oppositionsführer und früheren Regierungschef Michail Kassjanow aus. Er hatte zuvor mitgeteilt, dass die Opposition nach den Mord an Nemzow auf den für Sonntag geplanten Frühlingsmarsch gegen die Politik von Kremlchef Wladimir Putin verzichten werde.
Zuletzt hatte es Streit um den Ort der Oppositionskundgebung gegeben. Die Regierungsgegner hatten sich daran gestört, dass sie nicht - wie regierungstreue Gruppierungen - im Stadtzentrum demonstrieren durften. Die Opposition hatte allerdings dann doch einer Verlegung der Kundgebung an den Rand Moskaus zugestimmt, um nicht ein Verbot der Stadt zu riskieren.
Ermittlungen in mehrere Richtungen
Nach dem blutigen Attentat gehen die Ermittler verschiedenen Spuren nach. Die Tat sei sorgfältig geplant gewesen, sagte der Sprecher der russischen Ermittlungsbehörde Wladimir Markin am Samstag in Moskau. Der Täter habe aus einem Fahrzeug mit einer Pistole vom Typ Makarow geschossen und dabei Patronen unterschiedlicher Hersteller verwendet, sagte Markin. Es würden nun die Aufnahmen der Videoüberwachung gesichtet sowie die Telefonverbindungen im Umfeld des Tatorts rekonstruiert.
In erster Linie gehen die Ermittler nach Angaben von Markin von einem politischen Auftragsmord an dem Gegner von Kremlchef Wladimir Putin aus. Die Täter könnten demnach das Ziel gehabt haben, die Lage in Russland zu destabilisieren. Der 55 Jahre alte Nemzow gilt als eine der schillernsten Persönlichkeiten der russischen Opposition.
Markin sagte, dass mehrere Zeugen befragt worden seien, darunter auch Nemzows Begleiterin. Das Paar soll auf dem Weg in Nemzows Wohnung gewesen sein, als der Täter aus einem Auto die Schüsse in der Nacht zum Samstag abfeuerte. Der Politiker starb am Tatort auf der Moskwa-Brücke.
Verfolgt werde auch eine islamistisch-extremistische Spur, sagte Markin. Demnach soll Nemzow Drohungen erhalten haben, weil er sich nach dem Terroranschlag auf das Pariser Satiremagazin "Charlie Hebdo" mit den Journalisten solidarisch gezeigt hatte.
Die Ermittler gehen zudem einer möglichen ukrainischen Spur nach. Nemzow galt als glühender Unterstützer der prowestlichen Führung in Kiew. Demnach halten es die Fahnder für möglich, dass außer Kontrolle geratene Kräfte in der Ukraine, die Russland schaden wollten, für den Auftragsmord verantwortlich seien. Markin sagte, dass nicht zuletzt die geschäftlichen Kontakte des früheren Vize-Regierungschefs und Energieministers untersucht würden.
dpa/mh/km - Bild: Sergej Supinsky/AFP