Wir Belgier kennen das nur allzu gut: Bevor ein Kompromiss zu Stande kommt – und wenn es auch 541 Tage dauert – kommt erst die Phase der Dramatisierung. Dann spitzt sich die Lage zu, bis sie fast aussichtslos erscheint. Und dann plötzlich nimmt das Drama doch noch ein mehr oder weniger glückliches Ende.
Im Falle Griechenland ist der Ausgang allerdings völlig offen. Das Pokerspiel sollten aber weder Athen noch der Rest der Eurogruppe unterschätzen: Wer überreizt, kann nämlich auch verlieren. Und sollte es zum Bruch kommen, wird es für beide Seiten richtig teuer. Deswegen: ran an den Verhandlungstisch!
Nach dem Besuch des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras im Lambermont hatte Premierminister Charles Michel fast kryptisch erklärt: "Das Magische an Europa sind seine kreativen Lösungen". Genau das scheint sich jetzt abzuzeichnen. Tsipras hat grünes Licht für eine Expertenkommission gegeben. Die zwar die gleiche Arbeit wie die verhasste Troika machen soll, aber bloß nicht diesen Namen tragen darf. Das ist kreativ. Mal gespannt, was Athen und Brüssel auf dem Weg der Annäherung noch so alles in Petto haben werden.
Grundlegend sind jetzt zwei Schritte notwendig: Die Geldgeber müssen verstehen, wie dramatisch die Lage für den kleinen Bürger in Griechenland ist. Der hat weitreichende Einschnitte hinnehmen müssen. Selbst die Ökonomen müssen zugeben: Blindes sparen allein schafft kein neues Wachstum. Die Eurogruppe wäre gut beraten, auf einige Forderungen der neuen Athener Regierung einzugehen.
Die wiederum – und da sind wir beim zweiten Schritt – kann nicht erwarten, dass die anderen Euro-Staaten ihr bedingungslos Geld in Form von neuen Hilfspaketen zuteilt und auf die Rückzahlung der Schulden und Altlasten verzichtet. Die neue Links-Rechts-Regierung in Griechenland muss zunächst vor ihrer eigenen Haustür kehren. Während sich die kleine Frau und der kleine Mann in Athen, Thessaloniki oder auf den unzähligen Ferieninseln im Ägäischen Meer kaputtsparen mussten und möglicherweise noch ihren Job verloren haben, gingen Korruption und Steuerhinterziehung im großen Stil ungestört weiter. Oder wie der Grieche sagt: "Bei uns regiert der Fakelaki". Mit ordentlich Tzatziki, könnte man noch hinzufügen. Tsipras und Co. haben zumindest angekündigt, die alten und weitverbreiteten Gepflogenheiten bekämpfen zu wollen.
Übrigens: Auch die Troika hat hier auf der ganzen Linie versagt. Die Herren von EU-Kommission, EZB und Internationalem Währungsfonds haben nämlich ebenfalls nicht dafür sorgen können, dass jeder in Griechenland ordnungsgemäß Steuern bezahlt und damit hat auch die Troika nicht verhindert, dass die einfachen Bürger wie eine Weihnachtsgans ausgenommen worden sind. Der neue Swiss-Leaks-Skandal führt aber auch uns in Belgien nochmal deutlich vor Augen: Steuerbetrug ist kein rein griechisches Problem.
Athen und die Eurogruppe sollten weiterverhandeln und bis zur nächsten Sitzung der Finanzminister am Rosenmontag Wasser in den griechischen Wein gießen. Ansonsten droht Europa an Aschermittwoch mit einem richtigen Kater aufzuwachen. Und zwar einem, der im Gegensatz zur Fastenzeit nach 40 Tagen nicht wieder vorbei ist...
Steuerbetrug in diesen Größenordnungen, sehr geehrter Herr Kniebs, funktioniert nur, wenn er inoffiziell von staatlicher Seite geduldet wird.