Das dramatische Ringen um Frieden für die Ostukraine in Minsk ist in der Nacht zum Donnerstag zum Nervenkrieg und Marathon hinter verschlossenen Türen geworden. Nach fast zwölfstündigen Gesprächen war am frühen Morgen noch immer keine Einigung in Sicht. Nach ersten positiven Anzeichen waren die Gespräche wieder ins Stocken geraten. Nachdem die russische Seite am Abend Zuversicht verbreitet hatte, verlautete weit nach Mitternacht aus Kreisen der anderen Delegationen, Kremlchef Wladimir Putin stelle sich quer. Über den Stand der Gespräche machte jedoch keine der Delegationen nähere Angaben.
Bis zum frühen Morgen hatten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der französische Staatschef François Hollande und Putin schon fast zwölf Stunden verhandelt. Zwischenzeitlich baten sie ihre Außenminister dazu. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier reiste nicht wie ursprünglich geplant am Mittwochabend nach Südamerika. Den Start seiner Reise ließ das Auswärtige Amt zunächst offen.
Nach etwa sechs Stunden teilte Waleri Tschaly aus Poroschenkos Präsidialverwaltung mit, die Gespräche könnten noch "mindestens fünf oder sechs Stunden" dauern. Ohne wenigstens eine Einigung auf eine Feuerpause könne man den Konferenzort nicht verlassen. Daher werde gerade "ein Nervenkrieg" geführt, twitterte Tschaly. "Schlafen ist jetzt für Schwächlinge", fügte er hinzu.
Verhandelt wurde in der weißrussischen Hauptstadt über eine friedliche Lösung mit Waffenstillstand und Abzug schwerer Waffen aus dem umkämpften Gebiet. Zwischenzeitlich holten alle Vier ihre Außenminister hinzu. Russlands Außenminister Sergej Lawrow sprach von einem Abschlussdokument, das in Kürze unterzeichnet werden könnte, ohne nähere Angaben zu machen.
Lawrow sagte, die Gespräche verliefen "aktiv". Dies bedeute "besser als super". Das Präsidialamt des gastgebenden weißrussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko teilte mit: "Eine Deklaration ist möglich." Die prorussischen Separatisten in der Ostukraine dämpften allerdings Hoffnungen auf eine rasche Waffenruhe. "Eine vollständige Feuerpause sofort an der ganzen Front umzusetzen, ist unmöglich", sagte Separatistenführer Andrej Purgin dem russischen Staatsfernsehen am Mittwoch.
Das Treffen galt als bisher wichtigster Vorstoß zur Beendigung des seit zehn Monaten dauernden Konflikts, bei dem im Donbass mehr als 5400 Menschen getötet wurden. Überschattet wurden die Verhandlungen in Minsk von neuer Gewalt in der Ostukraine. Poroschenko drohte trotz der Diplomatie-Bemühungen auf höchster Ebene mit Verhängung des Kriegsrechts, sollten die Gespräche scheitern.
Überraschend waren auch die prorussischen Separatistenführer Alexander Sachartschenko und Igor Plotnizki nach Minsk gereist. Welche Rolle sie dort spielen würden, war zunächst unklar. Die Führung in Kiew lehnte bisher direkte Gespräche mit den Aufständischen ab.
Vor dem Gipfeltreffen hatte US-Präsident Barack Obama sowohl mit Kremlchef Putin als auch mit Poroschenko telefoniert. Obama forderte Putin auf, die Chance zu einer friedlichen Beilegung des Konfliktes zu nutzen. Poroschenko sicherte er zu, die USA würden dem Land in Absprache mit anderen Partnern weiter mit Finanzhilfen beistehen.
Nach einem Bericht der Agentur Itar-Tass wollen die Teilnehmer des Ukraine-Friedensgipfels in Minsk nun ein Abschlussdokument unterzeichnen. Das Papier umfasse 12 bis 13 Punkte, mit denen die Krise in der Ostukraine gelöst werden solle, berichtete die Agentur unter Berufung auf einen namentlich nicht genannten Diplomaten. Unterdessen wurde am Verhandlungsort ein Saal vorbereitet, in dem Kanzlerin Angela Merkel, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko, der französische Staatschef François Hollande und Russlands Präsident Wladimir Putin das Ukraine-Papier unterschreiben wollten.
Wie die Deutsche Presse-Agentur am Donnerstagmorgen aus Verhandlungskreisen erfuhr, wollen die Verhandlungsparteien eine Waffenruhe für die Ukraine binnen 48 Stunden erreichen.
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dpa/est - Bild: Tatyana Zenkovich (afp)