Das ist der Satz, den man vor allem in Deutschland nie hören wollte. "Die Europäische Zentralbank hat beschlossen, ein milliardenschweres Programm zum Aufkauf von Staatsanleihen aufzulegen, sagte EZB-Präsident Mario Draghi. Dieser eine Satz stellt fast schon eine Zeitenwende dar, sagte der renommierte Ökonom Ivan Van de Cloot in der VRT: Hier handele es sich um eine der umstrittensten Entscheidungen in der europäischen Wirtschaftsgeschichte.
Staatsanleihen zu kaufen, das beinhaltet viel mehr, als man es vielleicht zunächst vermuten könnte. Der Fachmann spricht hier von einer "quantitativen Lockerung", englische Abkürzung QE. In der Praxis bedeutet das, dass die EZB die Notenpresse anwirft: Es wird Geld gedruckt. Und zwar nicht zu knapp. Wie Mario Draghi erklärte, werde die EZB jeden Monat Staatsanleihen im Gegenwert von 60 Milliarden Euro von Staaten und auch von Unternehmen ankaufen - und das bis Ende 2016.
Macht unterm Strich rund 1.100 Milliarden Euro, die die Europäische Zentralbank also in die Märkte pumpen wird. Die EZB will damit das Vertrauen im Euroraum wiederherstellen. In den meisten Fällen wird dieses Geld in die Kassen der Banken fließen, denn die sitzen häufig auf Staatsanleihen. Man erhofft sich dadurch, dass die Banken ihrerseits wieder bereitwilliger Kredite vergeben, an Unternehmen oder auch an Verbraucher. Doping für die Wirtschaft also.
Aber schon das halten viele für einen frommen Wunsch. Das gilt nicht nur für Deutschland, das besonders laut gegen die Maßnahme wettert. Die Lösung liege doch ganz anderswo, sagte auch Finanzminister Johan Van Overtveldt. Vertrauen stelle man nur her, wenn man - wie die Regierung Michel - Reformen anstoße und die Staatsfinanzen in Ordnung bringe.
Genau da liegt die Krux. Im Umkehrschluss kann die Maßnahme der EZB nämlich dazu führen, dass gewisse Staaten jetzt keine Notwendigkeit mehr sehen, Reformen durchzuführen. Diese Angst gehe ganz besonders in Deutschland um, sagt auch der Ökonom Ivan Van de Cloot. Man laufe Gefahr, dass man nicht mehr die Probleme an der Wurzel packt, sondern sich stattdessen darauf beschränke, immer weiter Geld zu drucken.
Kritiker sehen hier zwei große Probleme: Erstens: Eine Geldschwämme befeuert auf Dauer die Inflation. Das heißt auch, dass der Euro im Vergleich zum Dollar oder zum britischen Pfunden weiter fallen wird. Was gut ist für die Exportwirtschaft, ist für den Verbraucher nicht immer so wünschenswert. Finanzminister Van Overtveldt warnte schon davor, dass die belgischen Sparer schon bald wieder indirekt draufzahlen, weil die Zinsen niedriger sein würden als die Inflation.
Zweiter, noch viel sensiblerer Punkt: Vor allem in deutschen Augen wird hier ein sakrosanktes Prinzip außer Kraft gesetzt, das da lautet: Man darf Geldpolitik und Haushaltspolitik nicht vermengen.
Die Frage lautet nämlich, was passiert, wenn ein Land seine Schulden nicht mehr bezahlen kann? Dann bleibt die EZB auf den gekauften Anleihen sitzen. Und wer bekommt am Ende die Rechnung präsentiert? Insbesondere die Deutschen, die ja der größte Anteilseigner der EZB sind.
Hier habe die EZB aber Vorsichtsmaßnahmen getroffen, betonte Mario Draghi. Konkret: 80 Prozent der - zum Beispiel - belgischen Staatsanleihen würden von der belgischen Zentralbank gekauft. Nach dem jetzigen Beschluss unterliegt nur ein Fünftel der gekauften Anteile der gemeinsamen Haftung.
Das Programm hing schon seit längerer Zeit in der Luft. Und die Maßnahme wird längst nicht von allen Experten abgelehnt. Die EZB habe inzwischen ihr Pulver verschossen, sagen die Befürworter. Die europäische Wirtschaft brauche jetzt diesen Elektroschock und die EZB sei weiß Gott nicht die erste Notenbank, die ein solches Programm auflege. Die amerikanische Fed habe es vorgemacht, und der Erfolg sei inzwischen auch sichtbar. In der Zeitung La Libre Belgique sagt der belgische Ökonom Paul De Grauwe klipp und klar: Die EZB hat sich viel zu lange von den Deutschen bremsen lassen; die Maßnahme sei längst überfällig.
Eins ist bei all dem aber allen bewusst: EZB-Chef Draghi, der auch zuweilen Super-Mario genannt wird, er hat am Donnerstag seine letzte Patrone abgefeuert.
Archivbild: John Thys (afp)