Drei Tage nach dem Fährunglück in der Adria rätseln die italienischen Behörden noch über den Verbleib von fast 100 Schiffbrüchigen. "Es gibt 98 Personen, von denen es noch keine Nachrichten gibt", sagte der ermittelnden Staatsanwalt von Bari, Giuseppe Volpe, am Mittwoch.
Unklar sei der Verbleib eines Frachters, der bei der Rettung nach dem Brand der "Norman Atlantic" geholfen hatte. Am Vortag hatte Volpe von mehr als 170 Menschen gesprochen, die vermutlich auf verschiedenen Schiffen von der Unglücksstelle nach Griechenland gebracht worden seien.
Das Abschleppen des Schiffswracks vor der Küste Albaniens verzögerte sich wegen des schlechten Wetters weiter. Befürchtet wird, dass in den Decks mehr Opfer sind, da sich auf der Fähre laut Behörden blinde Passagiere versteckt hatten.
Die Vorwürfe der Passagiere werden derweil immer lauter. "Es war wie in der Hölle, die ganze Zeit Rauch, Rauch, Rauch", beschrieb eine der Überlebenden. "Die Crew war nicht anwesend, es gab keinen Ansprechpartner, niemanden, der Informationen hatte, niemanden, der einen beschützt hat."
Das Feuer war am Sonntag nordwestlich der griechischen Insel Korfu im Fahrzeugdeck ausgebrochen. 427 Menschen wurden nach mehr als 36 Stunden voller Angst und Panik gerettet, mindestens 13 Menschen starben, darunter zwei Einsatzkräfte.
Der Kapitän Argilio Giacomazzi wurde nach der Ankunft in Brindisi in der Nacht mehr als fünf Stunden befragt. Gegen ihn und die italienische Reederei Visemar, die das Schiff verchartert hatte, ermittelt die Staatsanwaltschaft wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und Herbeiführens einer Havarie. Laut Nachrichtenagentur Ansa erklärte der Kapitän, zunächst wie vorgesehen die Besatzung alarmiert und dann - um keine Panik auszulösen - den Alarm im ganzen Schiff ausgelöst zu haben. Passagiere hatten kritisiert, dass es keinen Alarm auf der Fähre gegeben habe.
Spekuliert wird weiter über die Ursache des Feuers, das im Fahrzeugdeck ausbrach. Dort waren laut Zeugen viele Laster mit Olivenöl geparkt. Spekulationen, wonach blinde Passagiere sich mit einem Feuer wärmen wollten und so den Brand auslösten, bestätigten die Behörden bisher nicht.
Auf Deck habe es panikartige Szenen und Rangeleien gegeben, beschreiben Passagiere. "Es gab Angst, sehr viel Angst. Alle wollten auf Rettungsboote. Familien schrien." Auf einer Seite des Schiffs seien Rettungsboote verbrannt. Ein Teil der Überlebenden musste stundenlang auf dem brennenden Schiff ausharren.
dpa/km - Bild: Filippo Monteforte/AFP