Nach dem Schiffsunglück in der Adria wächst die Befürchtung, dass weitere Menschen ums Leben gekommen sind. Bestätigt sind bisher zwölf Tote. Darunter sind zwei albanische Einsatzkräfte, die am Dienstag beim Abschleppversuch der "Norman Atlantic" ums Leben kamen. Da es unterschiedliche Angaben zu der Passagierliste gab, wissen die Behörden nicht genau, wie viele Menschen an Bord waren.
Laut ursprünglicher Passagierliste waren es 478, gerettet wurden 427. Die griechische Anek Lines korrigierte die Zahl der Passagiere an Bord am Dienstag auf 475. Da unter den Geretteten auch blinde Passagiere waren, wurde befürchtet, dass mehr illegale Einwanderer an Bord waren. Die italienische Marine teilte am Dienstag mit, dass die Suche nach möglichen Opfern weitergehe.
Das Außenministerium in Brüssel teilte inzwischen mit, dass ein Mann aus Hasselt, der sich an Bord der Unglücksfähre befunden hatte, zu den Passagieren gehört, die gerettet werden konnten. Er steht in Kontakt mit seiner Familie und wurde zur medizinischen Kontrolle in ein Krankenhaus gebracht. Auch zwei Flüchtlinge, die in Belgien wohnen, wurden gerettet. Sie befinden sich zur Zeit in der italienischen Stadt Bari.
Blinde Passagiere
Nach Angaben des griechischen Ministers für Handelsschifffahrt wurden auch Menschen gerettet, die nicht auf der ursprünglichen Passagierliste standen. Etwa 20 Unbekannte waren unter den Geretteten, die eine griechische Militärmaschine im italienischen Bari aufnehmen sollte, wie der griechische Minister für Handelsschifffahrt, Miltiadis Varvitsiotis, am Montagabend sagte.
Das Schiffswrack wurde beschlagnahmt und sollte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ansa in den albanischen Hafen Vlora geschleppt werden. An der Bergung ist auch die niederländische Firma Smit beteiligt, die schon bei der Bergung der "Costa Concordia" geholfen hatte.
Gegen den italienischen Kapitän Argilio Giacomazzi und den Eigentümer der italienischen Reederei Visemar, Carlo Visentini, leitete die Staatsanwaltschaft in Italien nach Angaben der Agentur Ansa Ermittlungen wegen fahrlässiger Tötung, Körperverletzung und Herbeiführens einer Havarie ein. Der italienische Kapitän hatte als letzter das Schiff verlassen, auf dem am Sonntagmorgen auf dem Weg von Patras nach Ancona ein Brand ausgebrochen war.
Aussagen von Geretteten legten nahe, dass auf den Autodecks schlafende Lkw-Fahrer ums Leben gekommen sein könnten. Eine Lkw-Fahrerin sagte griechischen Medien, drei Kollegen seien umgekommen. Die Trucker hätten in der Fahrerkabine geschlafen. Niemand hätte die Passagiere rechtzeitig alarmiert. Das Feuer war vermutlich im Autodeck ausgebrochen.
Ein geretteter Lkw-Fahrer klagte im griechischen Fernsehen, von der Besatzung sei keinerlei Hilfe gekommen. "Es gab keinen Feueralarm, der Rauch hat uns geweckt. Wir mussten Wasser vom Deck trinken und uns mit dem zudecken, was wir gerade finden konnten." Auch die Retter hätten sich nicht gekümmert. "Wir waren zwischen Feuer und Wasser, und niemand hat geholfen. Sie haben nicht eine Flasche Wasser oder eine Decke für die Kinder abgeworfen, und die waren zum Teil in Unterwäsche. Es war ein schwimmender Vulkan."
dpa/vrt/est/okr/km - Bild: Marina Militare/AFP