Gegen den Protest der proeuropäischen ukrainischen Führung haben die prorussischen Separatisten im Konfliktgebiet Ostukraine mit umstrittenen Wahlen begonnen. Bestimmt werden sollen in den selbst ernannten "Volksrepubliken" Lugansk und Donezk Parlamente sowie sogenannte Republikchefs. Mehr als 400 Wahllokale öffneten am Sonntagmorgen in Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden.
Die Polizei und bewaffnete Separatisten patrouillierten verstärkt, um die Stimmabgabe zu ermöglichen, wie Medien berichteten. Nicht überall öffneten die Wahllokale, weil es in einigen Orten zu neuen Kämpfen zwischen Militär und Aufständischen kam, hieß es. In Teilen des umkämpften Gebietes haben ukrainische Regierungstruppen die Kontrolle. Auch die Separatisten hatten vor einer Woche bei der Parlamentswahl der Ukraine in den von ihnen beherrschten Ortschaften keine Abstimmung zugelassen.
Die Regierung in Kiew hat nun ein Ermittlungsverfahren wegen illegaler "Machtübernahme", beziehungsweise "wegen des Versuchs der Eroberung der Staatsmacht" eingeleitet. Ermittelt werde zudem wegen "Verstoßes gegen die verfassungsmäßige Ordnung" durch "Terroristen" in Donezk und Lugansk, teilte der nationale Sicherheitsdienst mit. Darauf stehen bis zu zehn Jahre Gefängnis, wie Geheimdienstsprecher Markian Lubkiwski mitteilte. Zuvor hatte bereits Präsident Poroschenko und Regierungschef Arseni Jazenjuk die Separatistenwahl als verfassungswidrig kritisiert. Poroschenko kritisierte die Doppelabstimmung in den von prorussischen Separatisten ausgerufenen "Volksrepubliken" als "Pseudowahlen", die - so wörtlich - "von Terroristen und Banditen auf besetztem Gebiet" organisiert worden seien.
Die von Russland unterstützten Aufständischen hingegen wollen mit der Abstimmung ihre Unabhängigkeitsbestrebungen untermauern. "Ich habe für Frieden, Glück und Gerechtigkeit gestimmt", sagte der Donezker "Republikchef" Alexander Sachartschenko bei der Stimmabgabe. Er will sich durch die Wahl legitimieren lassen. "Mit dem heutigen Tag ist das Land in verlässlichen Händen", betonte Sachartschenko, der von schwer bewaffneten Uniformierten bewacht wurde. Zugleich erklärte er sich zu neuen Gesprächen mit der Regierung in Kiew bereit.
Die in die EU strebende ukrainische Führung will eine endgültige Abspaltung der Gebiete verhindern. Auch die EU und die USA erkennen die Wahl nicht an. Kiew, die EU und die USA werfen Russland vor, die Separatisten seit Monaten militärisch zu unterstützen. Moskau weist das zurück und will die Wahlen trotz internationaler Kritik anerkennen. Das russische Zivilschutzministerium schickte auch am Wahltag einen Lastwagenkonvoi mit Hilfsgütern in das Konfliktgebiet, darunter Lebensmittel und Medikamente. Die rund 1.000 Tonnen Fracht aus den 50 Lkw wurden in Donezk und Lugansk verteilt. Es war bereits die fünfte Lieferung dieser Art.
Die meisten Wahllokale sind bis 20:00 Uhr Ortszeit (18:00 Uhr MEZ) geöffnet. Wegen des großen Andrangs werde im Gebiet Lugansk aber die Stimmabgabe um zwei Stunden verlängert - bis 22:00 Uhr Ortszeit (20:00 Uhr MEZ), sagte "Wahlleiter" Sergej Kosjakow. Bis zur Mittagszeit hätten mehr 230.000 Menschen in der Region Lugansk ihre Stimme abgegeben. Die Lugansker Separatisten hatten insgesamt eine Million Wahlzettel drucken lassen.
In Donezk gaben die prorussischen Kräfte die Zahl der Wahlberechtigten mit 3,2 Millionen Menschen an. Die genaue Zahl der Stimmberechtigten war allerdings unklar, weil in den vergangenen Monaten Hunderttausende aus der Krisenregion geflüchtet sind. Russland ließ in einigen Flüchtlingslagern eine Abstimmung zu. Bei dem blutigen Konflikt zwischen dem Militär und den Aufständischen kamen seit April Schätzungen rund 4.000 Menschen ums Leben.
Internationale Wahlbeobachter sind bei der Abstimmung übrigens nicht zugegen, auch eine Mindestbeteiligung wurde von den Organisatoren nicht festgelegt.
Wie die prorussischen Kräfte in der Ostukraine melden, zeichnet sich bei den umstrittenen Wahlen offenbar eine rege Wahlbeteiligung ab. Nach Angaben prorussischer Separatisten wird in Lugansk wegen des großen Andrangs die Stimmabgabe um zwei Stunden verlängert. Auch in der Separatistenhochburg Donezk soll die Beteiligung an dem Urnengang sehr hoch sein.
dpa/rkr/mh - Bild: Alexander Khudoteply (afp)