Im Nordirak haben kurdische Peschmerga eine neue Offensive begonnen, um die Stadt Sindschar von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu befreien. Die Kämpfer griffen die Extremisten von mehreren Seiten mit schweren Waffen an, sagte ein Vertreter der kurdischen Kräfte der Nachrichtenagentur dpa am Samstag. Der IS habe nicht näher bezifferte Verluste erlitten.
Im nordsyrischen Kobane bezogen die Peschmerga aus dem Nordirak kurz nach Ankunft in der Stadt ihre Stellungen. Rund 150 Kämpfer sollen den Kurden helfen, die Stadt an der Grenze zur Türkei gegen den IS zu verteidigen. Im Schutz der Dunkelheit hatte die langersehnte Verstärkung am Freitagabend die Grenze mit schweren Waffen überquert, während die US-Luftwaffe IS-Stellungen bombardierte.
Die heftigen Kämpfe zwischen den kurdischen Volksschutzeinheiten und den Terroristen gingen in der Nacht zum Samstag weiter, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte meldete. Der IS belagert die Stadt von drei Seiten. Die Terrormiliz beherrscht das Umland und rund 60 Prozent von Kobane. Ein Sieg wäre für sie militärisch, vor allem aber auch symbolisch ein großer Erfolg, da selbst US-Luftangriffe sie nicht hätten aufhalten können.
Bei den Kämpfen um Kobane kamen in drei Tagen mindestens 100 IS-Kämpfer ums Leben, wie die syrischen Menschenrechtler mitteilten. Seit Beginn der Schlacht um die Stadt Mitte September seien damit 576 Extremisten getötet worden.
Nach Angaben der Menschenrechtsbeobachter starben im vergangenen Monat im syrischen Bürgerkrieg fast 5.800 Menschen, darunter mehr als 1.000 Zivilisten. 251 der Getöteten seien Kinder gewesen.
Die IS-Extremisten hatten die nordirakische Sindschar-Region nordwestlich der Millionenstadt Mossul im August überrannt und die kurdischen Peschmerga vertrieben. Rund 200.000 Menschen flohen damals aus Angst vor Gewaltakten des IS. Die meisten von ihnen gehörten zu der religiösen Minderheit der Jesiden.
Mit Hilfe von US-Luftangriffen gelang es den Peschmerga Mitte August, einige verlorene Gebiete zurückzuerobern, darunter den Mossul-Staudamm. Die nordirakischen Kurden kämpfen mittlerweile mit moderneren Waffen, die sie vor allem aus dem Westen erhalten haben.
Im Westen des Iraks begann die Armee ebenfalls eine Offensive gegen die Extremisten. Unterstützt von Luftschlägen der internationalen Koalition hätten die Soldaten den IS östlich der Stadt Ramadi angegriffen, meldete die Nachrichtenseite Al-Sumaria News.
200 Sunniten bei Massenhinrichtungen getötet
In der Region sollen die Extremisten binnen drei Tagen rund 200 Menschen bei mehreren Massenhinrichtungen in der westirakischen Provinz Anbar getötet haben. Bei den Opfern handele es sich um Mitglieder des sunnitischen Al-Bu Nimr-Stammes, sagte eine irakische Sicherheitsbeamtin aus der Region der Nachrichtenagentur dpa am Sonntag. Allein in der Nacht zum Sonntag seien 67 Mitglieder des Stammes umgebracht worden, darunter auch Frauen und Kinder, berichtete die irakische Nachrichtenseite Al-Sumaria News unter Berufung auf einen Stammesführer.
Viele der Opfer wurden laut Medienberichten in einem Massengrab verscharrt. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte in einer Erklärung den Mord an den Stammesangehörigen. Das "Verbrechen" zeige die Brutalität des Islamischen Staates.
Der Stamm Al-Bu Nimr gehört zu den Verbündeten der irakischen Regierung im Kampf gegen die IS-Dschihadisten. Obwohl selbst sunnitisch, unterstützt der Stamm auch schiitische Milizen. Die sunnitisch-extremistische IS-Miliz verfolgt den Stamm daher mit besonderer Härte. Seit dem Vorstoß der Dschihadisten in den Irak sind Sunniten und Schiiten im Land stärker denn je gespalten.
Die westlich der Hauptstadt Bagdad gelegene Provinz Anbar gehört zu den am härtesten umkämpften Gebieten des Iraks. Nach Angaben von Al-Sumaria hält der IS noch rund 125 Mitglieder des Al-Bu Nimr-Stammes nördlich der Provinzstadt Ramadi als Geiseln.
dpa/rkr/mh - Bild: Bulent Kilic (afp)