Wegen des Tods Tausender Menschen in der Ostukraine hat Russland ein Strafverfahren wegen «Völkermords» an den russischsprachigen Bewohnern des Konfliktgebiets eingeleitet. Ukrainische Politiker und Militärvertreter hätten seit April Befehle zur «vollständigen Beseitigung der russischsprachigen Bürger» in den Gebieten Donezk und Lugansk gegeben, sagte der Sprecher der Ermittlungsbehörde in Moskau, Wladimir Markin, am Montag.
Gegen wen konkret ermittelt werde, sagte er nicht. Markin sprach von mindestens 2.500 Toten sowie mehr als 500 zerstörten Häusern. Nach UN-Schätzungen kamen seit Ausbruch des Konflikts im April mehr als 3.500 Menschen ums Leben. Militär und Separatisten machen sich gegenseitig für den Tod von Zivilisten verantwortlich.
Im Krisengebiet lieferten sich Regierungstruppen und prorussische Separatisten die blutigsten Kämpfe seit Beginn der Waffenruhe vor mehr als drei Wochen. Die Armee habe zwei Angriffe der Aufständischen auf den Flughafen von Donezk abgewehrt, sagte Sicherheitsratssprecher Andrej Lyssenko in Kiew.
Die Regierungstruppen und die Aufständischen hatten am 5. September in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Waffenruhe vereinbart. Die Feuerpause gilt als brüchig. Aber auch andere Teile der Ostukraine kamen nicht zur Ruhe. In der von Kiew kontrollierten Stadt Charkow stürzten Ultranationalisten ein Lenin-Denkmal. Sie wollten damit zeigen, dass prorussische Kräfte und eine Bevormundung durch Moskau in Charkow unerwünscht sind.
Mit Berichten über rund 400 im Konfliktgebiet gefundene Leichen machten die Separatisten Druck auf die Führung in Kiew. Die Gräber befänden sich in Gebieten, die zuvor von der ukrainischen Armee kontrolliert worden seien, sagte Separatistenführer Andrej Purgin der Agentur Interfax. Bei den meisten Toten handle es sich um Zivilisten, viele seien derartig zugerichtet, dass sie nicht einfach identifiziert werden könnten, sagte Purgin. Eine unabhängige Bestätigung der Zahl gab es zunächst nicht.
Die Führung in Kiew bezeichnete die Darstellung der Moskau treuen Separatisten als Propaganda, mit der das ukrainische Militär nach dem Rückzug in schlechtes Licht gerückt werden solle. Die Aufständischen hatten bereits in den vergangenen Tagen von «Massengräbern» berichtet, die Zahl der Toten war aber unklar.
In Russland lösten die Nachrichten große Besorgnis aus: Politiker sprachen von «Kriegsverbrechen» und forderten eine internationale Untersuchung. Trotz knapper Staatskassen und einer durch den Bürgerkrieg ausgelösten Wirtschaftskrise will die Ukraine ihr Militär massiv aufrüsten.
Um Moskau zu einem deutlichen Friedenskurs in dem Konflikt zu bewegen, haben EU und USA harte Sanktionen gegen Russland verhängt.
dpa/sh