Die Bevölkerung Schottlands hat am Donnerstag mit der Abstimmung über die Zukunft ihres Landes begonnen. Seit 07:00 Uhr Ortszeit (:8.00 Uhr belgischer Zeit) haben Schotten im Alter über 16 Jahren die Möglichkeit, ihre Stimme für oder gegen die Unabhängigkeit von Großbritannien abzugeben. Mit Ergebnissen aus den 32 Stimmbezirken wird erst am Freitagmorgen gerechnet. Aus Teilen Schottlands, etwa von der Inselgruppe der Äußeren Hebriden oder von den Shetlands, müssen die Stimmzettel mit Hubschraubern und Schiffen Richtung Edinburgh transportiert werden.
Schottland genießt bisher nur Teilautonomie innerhalb des britischen Staatsgebildes. Die Befürworter der Unabhängigkeit, die den Plänen zufolge 2016 in Kraft treten soll, erhoffen sich mehr wirtschaftlichen Wohlstand und kürzere Entscheidungswege. Die Umfragen sagten bis zuletzt ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus, mit leichten Vorteilen für das Lager der Unabhängigkeitsgegner.
Die Meinungsforscher gehen von einer historisch großen Wahlbeteiligung von mehr als 90 Prozent aus. 97 Prozent der 4,4 Millionen Wahlberechtigten hatten sich für die Abstimmung registrieren lassen. Damit können maximal 4,29 Millionen Menschen ihre Stimme in einem der 2608 Wahllokale abgeben.
Ministerpräsident Alex Salmond und seine Parteifreunde von der Schottischen Nationalpartei versuchten bis zum späten Abend, ihre Anhänger zu mobilisieren. Das gegnerische Lager, angeführt von Großbritanniens Premierminister David Cameron und seinem Vorgänger Gordon Brown, schwor die Wähler auf ein "Nein" zur Unabhängigkeit ein.
Auf beiden Seiten mahnten Redner auch schon, die Schotten dürften nach der Abstimmung nicht gespalten bleiben: "Am Freitag werden wir als ein Land wieder zusammenkommen und vereint weitermachen", sagte Vize-Regierungschefin Nicola Sturgeon von der Nationalpartei SNP.
Die Referendumsdebatte war in den vergangenen Wochen zunehmend leidenschaftlicher geführt worden. Vor allem Redner des "No"-Lagers, etwa Labour-Politiker Jim Murphy, hatten über Beleidigungen, Drohungen und kleinere Übergriffe geklagt. Zwei Tage vor der Wahl musste Labour-Chef Ed Miliband einen Auftritt abbrechen, weil Anhänger der Unabhängigkeitsbewegung störten. Alles in allem verlief die Debatte aber recht friedlich. Auch für den Tag der Abstimmung wird nicht mit Gewalt gerechnet.
dpa/sh - Bild: Ben Stansall (afp)