Vor dem Hintergrund der Kriege in Syrien und im Irak hat Großbritannien erstmals seit 2011 seine Terrorwarnstufe angehoben. Es gilt nun die zweithöchste Warnstufe "ernst" auf der fünfstufigen Skala. Damit wird der Versuch eines Terroranschlags in Großbritannien wenige Tage vor dem Nato-Gipfel in Wales als "hoch wahrscheinlich" angesehen.
Dagegen wollen die USA ihre Terrorwarnungen nicht verschärfen. Regierungssprecher Josh Earnest sagte am Freitag im Weißen Haus, es gebe keine entsprechenden Pläne. Das Ministerium für Heimatschutz teilte mit, man habe keine Kenntnisse über "spezifische, glaubwürdige Drohungen" der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) auf amerikanischen Gebiet. Die Milizen fassten aber Amerikaner im Ausland ins Auge und seien eine Bedrohung für die Region. Man habe schon vor einiger Zeit Sicherheitsmaßnahmen im Flugverkehr verschärft.
Der britische Premierminister David Cameron erklärte: "Was uns im Irak mit dem IS gegenübersteht, ist eine größere Bedrohung für unsere Sicherheit, als das, was wir vorher gesehen haben." Der Regierungschef kündigte acht Monate vor der Parlamentswahl eine Verschärfung der Terrorgesetze an. Mutmaßlichen Terrorkämpfern, die in Krisengebiete reisen, soll künftig leichter der Pass entzogen werden können. Das hatte vor kurzem auch Camerons schärfster innerparteilicher Widersacher, Londons Bürgermeister Boris Johnson, gefordert.
Nach Camerons Angaben unter Berufung auf Geheimdienstinformationen sind mindestens 500 Männer mit britischem Pass in Syrien und im Irak als Kämpfer unterwegs. In Großbritannien herrscht eine große Furcht, dass nach Großbritannien zurückkehrende Dschihadisten Terroranschläge auf der Insel planen könnten. Er wies darauf hin, dass der IS bereits als ein von Terroristen geführter Staat agiere, der die Türkei als Nato-Mitglied zum Nachbarn habe.
Innenministerin Theresa May sagte am Freitag, es gebe weiterhin keine Hinweise auf eine konkrete Terrorbedrohung in Großbritannien. Die Terrorwarnstufe werde von einem Gremium militärischer und ziviler Experten festgelegt, das unabhängig von der Regierung arbeite. Die Terrorwarnstufe war 2011 von "ernsthaft" auf "substanziell" gesenkt worden.
Briten wollen Eingreiftruppe für Osteuropa schmieden
Unter britischer Führung soll Informationen der "Financial Times" (Samstag) zufolge eine neue Eingreiftruppe für weltweite Einsätze entstehen. Dass die 10.000 Soldaten umfassende Truppe eine Reaktion auf die russische Ukraine-Politik ist, bestätigte die Regierung in London nicht. Neben Großbritannien würden sich an der Joint Expeditionary Force für weltweite Einsätze auch die baltischen Staaten, Norwegen, die Niederlande, Dänemark und eventuell Kanada beteiligen, schreibt die Zeitung.
Ein Sprecherin des Verteidigungsministeriums in London sagte der Nachrichtenagentur dpa, es handele sich um Pläne, die bereits 2012 bekanntgegeben wurden und auf der Revision der britischen Verteidigungsfähigkeiten von 2010 beruhen. "Man hat sich damals gefragt, wie man die Teilstreitkräfte zusammenführen und effektiver machen kann, auch unter ökonomischen Gesichtspunkten", betonte die Sprecherin.
Die Pläne hätten nichts mit der gegenwärtigen Lage in Osteuropa zu tun, sagte sie. Die Angaben der Zeitung hinsichtlich der teilnehmenden Länder seien "nicht gravierend falsch", betonte die Sprecherin. Die Pläne seien in die Nato-Strategie eingebettet. Eine offizielle Bekanntgabe während des Nato-Gipfels am kommenden Donnerstag und Freitag in Wales sei möglich.
Dem Bericht der "Financial Times" zufolge soll die neue Truppe in Divisionsstärke Luft-, See- und Landstreitkräfte umfassen. Nach Angaben der Nato ist sie nicht identisch mit den Bündnis-Plänen, ihre eigene schnelle Eingreiftruppe beweglicher und schlagkräftiger zu machen.
Lage der Flüchtlinge immer verzweifelter
In den Kriegsregionen in Syrien und im Irak wird die Lage der Flüchtlinge immer verzweifelter. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind allein in Syrien fast zehn Millionen Menschen - rund die Hälfte aller Syrer - vor der Gewalt ins Ausland geflohen oder aus ihren Heimatorten vertrieben worden. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR sprach vom "größten humanitären Notfall unserer Zeit". Die Organisation geht nach neuesten Zahlen von drei Millionen Flüchtlingen aus, 6,5 Millionen Menschen seien Vertriebene im eigenen Land.
Auch im Irak sind seit Anfang des Jahres mehr als 1,6 Millionen Menschen aus Angst vor den Kämpfen mit der Terrormiliz IS in andere Teile des Landes geflohen, teilte die Internationale Organisation für Migration (IOM) mit.
Angesichts der Lage in Syrien schlug das UN-Flüchtlingshilfswerk Alarm. "Die Krise in Syrien ist zum größten humanitären Notfall unserer Zeit geworden, aber die Welt versagt dabei, den Menschen und den Ländern, in die sie flüchten, zu helfen", sagte UN-Flüchtlingskommissar António Guterres in Genf. Selbst großzügige Angebote reichten nicht aus. "Die bittere Wahrheit ist, es ist zu wenig", sagte Guterres. Zu den bisher gespendeten 3,1 Milliarden Euro würden bis zum Jahresende noch einmal 1,5 Milliarden Euro gebraucht, um die Flüchtlinge über den Winter zu bringen.
Inzwischen lebten im Libanon 1,1 Millionen syrische Flüchtlinge, in der Türkei 815.000, in Jordanien 600.000. Dort explodierten in einigen Regionen die Lebensmittelpreise. Syrische Regimegegner hatten am Mittwoch in Kunaitra den Übergang zu den von Israel besetzten Golanhöhen von der syrischen Armee erobert. Die radikal-islamische Al-Nusra-Front kesselte dort am Donnerstag 72 philippinische Blauhelmsoldaten ein. Zudem brachte sie weitere 44 Mitglieder der UN-Beobachtermission in ihre Gewalt. Die UN-Mission Undof beobachtet dort den Waffenstillstand zwischen Israel und Syrien.
Den 44 Blauhelmsoldaten geht es nach Angaben der Vereinten Nationen gut. Die Männer aus Fidschi seien "sicher und wohlauf", erklärten die UN am Freitagabend (Ortszeit), ohne allerdings das "sicher" näher zu erklären. Angeblich würden die Männer in ihrem eigenen Interesse festgehalten. "Die UN wurden informiert, dass es die Absicht war, die Friedensschützer von einem aktiven Gefechtsfeld zu ihrem eigenen Schutz in sicheres Gebiet zu bringen", heißt es in der UN-Erklärung.
Die UN hätten "aus sicherer Quelle" vom Zustand der Soldaten erfahren. Zu ihnen bestehe kein direkter Kontakt. Demgegenüber haben die Vereinten Nationen Funkverbindung zu den 72 philippinischen Soldaten, die eingekesselt sind. Auch ihnen gehe es gut.
dpa/cd/okr - Bild: Paul Hackett (afp)