Schon seit fast sieben Wochen tobt der Gaza-Krieg - mit nur kurzen Atempausen. Der blutige Schlagabtausch zwischen Israel und der radikal-islamischen Hamas will kein Ende nehmen. Um eine entscheidende Wende herbeizuführen, bereitet sich Israel jetzt auf eine mögliche neue Bodenoffensive in dem Palästinensergebiet vor. Das Militär, das schon seit Wochen an der Grenze stationiert ist, wartet auf den Marschbefehl.
Kommunikationsminister Gilad Erdan sagte am Samstagabend, eine neue Bodenoffensive in Gaza sei gegenwärtig viel wahrscheinlicher als neue Verhandlungen mit der Hamas. Ziel einer Bodenoffensive könnten entweder eine vollständige Eroberung (des Gazastreifens) und ein Sturz der Hamas oder punktuelle Angriffe auf Hamas-Einheiten sein, sagte Erdan, Mitglied des Sicherheitskabinetts, dem Zweiten Israelischen Fernsehen.
Besonders in den israelischen Grenzorten ist das Leben angesichts ständiger Mörsergranatenangriffe unerträglich geworden. Viele der Einwohner sind inzwischen geflüchtet. Deshalb wächst der Druck auf die Führung in Jerusalem, zum zweiten Mal Bodentruppen in das Palästinensergebiet zu schicken. Sie sollen die militanten Kämpfer vor allem aus den grenznahen Gebieten vertreiben. Wie das Problem dauerhaft gelöst werden soll, bleibt allerdings offen.
Nach dem Begräbnis eines vierjährigen israelischen Jungen, der von Granatensplittern getroffen worden war, forderte Transportminister Israel Katz am Sonntag: "Wir dürfen uns nicht in einen Zermürbungskrieg ziehen lassen." Er forderte stattdessen einen Kampf bis zur klaren Bezwingung der Hamas.
Seit dem Scheitern der Waffenruhe-Gespräche in Kairo feuern militante Palästinenser täglich wieder mehr als hundert Raketen auf Israel ab. Die Hamas-Führung beharrt stoisch auf ihren Forderungen für eine Waffenruhe, darunter eine vollständige Aufhebung der Blockade des Gazastreifens. Von harten Gegenangriffen Israels lässt sie sich dabei scheinbar kaum beeindrucken.
Israel verstärkt gleichzeitig den Druck auf die Einwohner des schmalen Küstenstreifens am Mittelmeer. Schon lange hat die Zahl der Toten die 2000 überschritten. Die Luftwaffe zielt neuerdings auch auf mehrstöckige Gebäude - das bislang höchste war ein 13-stöckiges Hochhaus, das Kampfjets mit zwei Raketen dem Erdboden gleichmachten. Die Einwohner waren allerdings kurz zuvor gewarnt worden, so dass es keine Toten bei den Angriff gab.
Die Armee droht nun mit weiteren Strafaktionen: Man werde jedes Haus bombardieren, das für Angriffe mit Raketen oder Mörsergranaten auf Israel missbraucht werde, hieß es am Wochenende in Botschaften an die Einwohner des Gazastreifens. Ein weiteres Druckmittel sind gezielte Tötungen: Neben den Angriffen auf ranghohe Hamas-Funktionäre greift die Armee auch vermehrt militante Aktivisten aus der Luft mit Raketen an.
Die Erschießung von rund 20 mutmaßlichen Kollaborateuren im Gazastreifen wird in Israel zwar als Anzeichen für eine wachsende Verunsicherung und Druck innerhalb der radikal-islamischen Organisation gewertet. Doch einen entscheidenden Schlag konnte Israel der Hamas bislang nicht versetzen.
Danny Jatom, der ehemalige Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, warnte allerdings, um die Hamas wirklich niederzuringen, müsse die Armee den 2005 geräumten Gazastreifen für zwei bis drei Jahre wieder besetzen. "Wir müssten von Haus zu Haus gehen", sagte er der Nachrichtenseite "ynet". "Der Preis wäre es nicht wert", betonte Jatom.
Raketen aus Syrien und Libanon
Fünf aus Syrien abgefeuerte Raketen sind in der Nacht auf den Golanhöhen eingeschlagen. Berichte zu möglichen Opfern oder Sachschäden liegen nicht vor.
Die neuen Angriffe nähren die Sorge vor einer Ausweitung des Gazakonflikts. Nur Stunden zuvor hatten Extremisten im Libanon zwei Raketen auf den Norden Israels abgefeuert. Dabei wurde ein Haus in Galiläa getroffen, berichtet der israelische Rundfunk. Acht Menschen erlitten einen Schock.
Auch die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen dauern an. Die israelische Luftwaffe bombardierte in der Nacht zum Sonntag wieder Ziele in dem Palästinensergebiet. Dabei wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums mindestens zwei Menschen getötet.
Natenjahu: Offensive wird noch andauern
Israel stellt sich nach den Worten seines Regierungschefs auf eine Fortsetzung des Gaza-Kriegs auch im kommenden Monat ein. Die Offensive werde andauern, "bis ihre Ziele erreicht sind", sagte Benjamin Netanjahu am Sonntag zum Auftakt einer Regierungssitzung in Tel Aviv. Sein Finanzminister Jair Lapid drohte mit gezielten Angriffen auf die politische Führung der radikal-islamischen Hamas auch im Ausland.
"Jeder Ort, von dem aus geschossen wird, ist ein Ziel", sagte Netanjahu. "Die ranghohen Hamas-Funktionäre müssen wissen, dass wir sie jagen und fassen werden, und dass sie den Preis für das zahlen werden, was sie im Süden Israels anrichten", sagte Lapid. "Niemand ist gefeit - nicht die politische Führung, und nicht die Exilführung." Der Gaza-Krieg könne noch "Zeit in Anspruch nehmen", sagte Netanjahu. "Wir sind darauf vorbereitet, dass der Kampf auch nach Beginn des neuen Schuljahrs weitergeht." Das Schuljahr beginnt in Israel und den Palästinensergebieten am 1. September.
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dpa/sh Bilder: Mohammed Othman & Said Khatib (afp)