Angst vor einer Ausbreitung von Ebola auf Europa ist nach Angaben des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin in Hamburg unbegründet. "Es ist absolut unwahrscheinlich, dass es in Europa zu einer Epidemie kommt", sagte der Leiter der Virusdiagnostik, Jonas Schmidt-Chanasit, am Dienstag in Hamburg der Deutschen Presse-Agentur dpa.
Er räumte allerdings ein, mit den steigenden Infektionszahlen und immer mehr Helfern aus Europa steige das Risiko, dass ein Erkrankter einreise. "Aber gleichzeitig verstärken die Länder ihre Maßnahmen, damit Infizierte ihre Heimat erst gar nicht verlassen können."
Die Ebola-Inkubationszeit beträgt bis zu drei Wochen. Erst bei Fieber, Durchfall oder Erbrechen könne der Betroffene das Virus weitergeben, sagte der Wissenschaftler. "Dafür ist ein enger Kontakt mit Erkrankten oder verstorbenen Patienten notwendig - wie ihn etwa Angehörige haben." Bei dem Schreckensszenario, man sitze zufällig neben einem unerkannt Infizierten in der U-Bahn, bestehe keine Übertragungsgefahr. "Dafür müsste man mit dem Blut oder Erbrochenen in Berührung kommen."
Die seit Monaten andauernde Ebola-Epidemie in Westafrika ist die schwerste bisher registrierte. Bis zum 1. August wurden bereits knapp 900 Tote gemeldet. Die frühere Gesundheitsministerin von Mali, Fatoumata Nafo-Traoré, hatte am Montag vor einer möglichen Ausbreitung des Virus auf andere Länder oder sogar Kontinente gewarnt.
Der Virologe Schmidt-Chanasit erklärte, sollte es tatsächlich demnächst einen "importierten Fall" geben, brauche niemand in Panik zu verfallen. "Der Erkrankte würde sofort isoliert und identifiziert, da würde es zu keinen größeren Übertragungsketten kommen." Europa sei gut vorbereitet. Ebola sei zudem weniger ansteckend als etwa die Windpocken. "Deshalb ist es Murks sich vorzustellen, wenn sich die Tür zu unserem Labor öffnet, fliegt das Ebola-Virus in der Stadt umher", erklärte Schmidt-Chanasit.
"Die Wahrscheinlichkeit, dass unerkannt Helfer das Virus nach Europa einschleppen und hier mit Symptomen rumlaufen, ist extrem unwahrscheinlich." Das gut ausgebildete medizinische Personal aus Europa würde die Symptome sofort erkennen und sich in Quarantäne begeben, ist der 35-Jährige überzeugt.
Auch Angst davor, dass afrikanische Flüchtlinge die Krankheit unwissentlich mitbringen, brauche niemand zu haben. "Flüchtlinge können sich diese Flüge nicht leisten und könnten an den Flughäfen ja auch kein Visum vorzeigen", sagte der Virologe. "Deshalb kommen sie über den Landweg. Dafür brauchen sie länger als die Inkubationszeit von drei Wochen." Wohlhabende Geschäftsreisende aus Westafrika, die Europa besuchen, gehörten nicht zu den Hauptgefährdeten von Ebola, erklärte Schmidt-Chanasit. "Weil sie eine höhere Bildung besitzen und eher die hygienischen Maßnahmen vor Ort beachten."
WHO-Daten zu Ebola: 1603 gemeldete Fälle und 887 Tote
Bis zum 1. August wurden der Weltgesundheitsorganisation (WHO) von den Behörden der betroffenen Länder insgesamt 1603 Ebola-Fälle gemeldet, darunter 887 Tote. Erfasst werden dabei nicht nur mit Labortests bestätigte, sondern auch Verdachtsfälle. Analytisch nachgewiesen waren bis Anfang August 1009 Infektionen, die in 574 Fällen tödlich endeten. Zum Vergleich: Am 12. Juli hatte die Zahl gemeldeter Fälle noch bei 964 gelegen. In den vergangenen Tagen dürften die Zahlen erneut sprunghaft gestiegen sein.
Von den bis zum 1. August erfassten 1603 Meldungen entfallen 646 auf Sierra Leone, 273 Menschen starben. Für Guinea sind 485 Infektionen und 358 Tote erfasst, für Liberia 468 Fälle, davon 255 tödlich verlaufene. Für Nigeria gibt die WHO vier unbestätigte Verdachtsfälle an - inzwischen liegt allerdings für einen Arzt aus Lagos eine Bestätigung vor. Er starb ebenso an Ebola wie der Fluggast aus Liberia, bei dem er sich vor einigen Wochen angesteckt hatte.
Von Stephanie Lettgen, dpa - Bild: Zoom Dosso/AFP