Die ersten Todesopfer des Flugzeugabsturzes nahe Donezk sind in die Niederlande gebracht worden. Im Beisein des niederländischen Königspaares, von Ministerpräsident Mark Rutte und zahlreicher Angehöriger landete ein niederländisches Hercules-Transportflugzeug am Mittwochnachmittag auf dem Flughafen von Eindhoven. Kurz danach folgte eine australische Maschine. Beide waren am Morgen mit insgesamt 40 Särgen an Bord im ukrainischen Charkow gestartet.
Mit einer Schweigeminute ehrten die über 1300 versammelten Menschen, darunter viele Minister und Abgeordnete, der Opfer. Ein Trompeter spielte einen letzten Gruß. Dann trugen Soldaten den ersten Sarg auf ihren Schultern aus dem Flugzeug. Auf dem Rollfeld standen Dutzende Leichenwagen bereit.
Beim mutmaßlichen Abschuss von MH17 waren am vergangenen Donnerstag alle 298 Menschen an Bord ums Leben gekommen - die meisten von ihnen Niederländer. Bei der Zeremonie waren auch Vertreter aus jenen Ländern anwesend, aus denen andere Passagiere des Flugs MH17 stammten.
Auch im Rest der Niederlande galt eine Schweigeminute. Das öffentliche Leben stand weitgehend still. Bis zum Freitag sollen alle geborgenen Leichen vom Absturzort in der Ostukraine in die Niederlande gebracht werden, teilte die Regierung in Den Haag.
Die Niederlande übernahmen am Dienstag auf Bitten der Ukraine offiziell die Leitung der internationalen Untersuchung zur Absturzursache von Flug MH17 der Malaysia Airlines. Die genauen Umstände sind auch gut eine Woche nach der Katastrophe noch unklar.
Maschine aus Versehen getroffen
Wie US-Geheimdienstler laut Medienberichten vom Dienstagabend sagten, trafen prorussische Separatisten die Malaysia-Airlines-Maschine mit 298 Menschen an Bord nach bisherigen Erkenntnissen mit einer Boden-Luft-Rakete vom Typ SA-11. Die Rebellen hätten aber wahrscheinlich nicht beabsichtigt, die Boeing 777-200 abzuschießen.
Eine russische Mitwirkung ließe sich derzeit nicht bestätigen. Der stellvertretende US-Sicherheitsberater Ben Rhodes sagte dem TV-Sender CNN, die USA untersuchten weiter eingehend, ob es eine «direkte Verbindung» zu Russland gebe. Unabhängig davon trage Moskau eine Verantwortung, weil es die Separatisten mit Material und Training unterstütze und die instabile Situation in der Ukraine mitverursacht habe. Auch nach dem Flugzeugunglück habe Russland die Hilfe nicht eingestellt. Separatistenführer Alexander Borodaj hatte zuvor erneut bestritten, dass Aufständische das Flugzeug abgeschossen hätten.
Die Außenminister der Europäischen Union (EU) gaben Russland ebenfalls eine Mitschuld. Bei einem Treffen in Brüssel bereiteten die Minister schärfere Sanktionen gegen Moskau vor; auch Waffen-Exporte könnten verboten werden. Beschlüsse gab es aber nicht.
Ein Kühlzug mit den sterblichen Überresten der Passagiere und Besatzungsmitglieder war am Dienstag in der ostukrainischen Stadt Charkow eingetroffen, die von der Regierung in Kiew kontrolliert wird. Nach einer ersten Untersuchung sollen die Opfer gruppenweise nach Eindhoven unweit der deutschen Grenze ausgeflogen und dann in einer Kaserne nahe Amsterdam identifiziert werden.
Zahl der Leichen ungewiss
Unklarheit herrschte jedoch darüber, wie viele Leichen in den Waggons waren. Nach niederländischen Angaben könnten sich darin lediglich die Überreste von 200 Opfern befunden haben. Die Suche nach Opfern müsste dann an der Absturzstelle fortgesetzt werden, zitierte der britische Sender BBC den Forensiker Jan Tuinder. Zunächst hatte es geheißen, die sterblichen Überreste von etwa 250 Menschen und weitere Leichenteile seien in den Waggons.
Nach Angaben Ruttes waren auch die Flugschreiber der Boeing in dem Zug. Die Separatistenführung in Donezk hatte diese an eine Delegation aus Malaysia übergeben, diese reichten sie nun an Vertreter der Niederlande weiter. Die Flugschreiber sollen zunächst in Großbritannien ausgewertet werden.
Zur Lösung des blutigen Konflikts im Osten des Landes beschloss die Ukraine derweil eine Teilmobilmachung. Präsident Petro Poroschenko begründete die vom Parlament unterstützte Maßnahme damit, dass die nationale Unabhängigkeit gesichert werden müsse. Mit den zusätzlichen Kräften will Poroschenko härter gegen die Separatisten vorgehen.
Der russische Präsident Wladimir Putin verlangte von Kiew eine Feuerpause, solange in der Ostukraine nach der Absturzursache gesucht wird. Bei einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates in Moskau sagte Putin, Russland versuche auf die Separatisten einzuwirken, damit diese eine vollständige Aufklärung ermöglichen. Poroschenko hatte am Montag eine Waffenruhe verkündet, die auf 40 Kilometer im Umkreis um die Absturzstelle gelten sollte.
Der australische Ministerpräsident Tony Abbott kritisierte nach dem mutmaßlichen Abschuss eine Manipulation von Beweisen. «Nach dem Verbrechen kommt die Vertuschung. Was wir gesehen haben, ist die Manipulation von Beweisen in industriellem Ausmaß und das muss natürlich aufhören», sagte Abbott. Er macht die Separatisten für den Absturz verantwortlich, bei dem 37 Australier starben.
dpa/est/mh - Bild: Bart Maat (afp)