Mit der Wahl eines Parlamentspräsidenten haben Iraks Abgeordnete die wochenlange politische Blockade zumindest teilweise gelöst. Die Parlamentarier stimmten am Dienstag mit großer Mehrheit für den sunnitischen Politiker Salim al-Dschaburi. Die Wahl eines neuen Parlamentspräsidenten ist Voraussetzung, um in den nächsten Schritten die anderen höchsten Staatsämter zu besetzen. Vor allem um den künftigen Regierungschef gibt es einen heftigen Streit. Die irakische Armee startete zugleich eine neue Offensive auf die von der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) kontrollierte Stadt Tikrit.
Schiiten, Sunniten und Kurden ringen seit Wochen darum, wer neuer Ministerpräsident werden soll. Eine Lösung des Konflikts gilt als Voraussetzung, um den Vormarsch der extremistischen IS-Kämpfer stoppen und einen Zerfall des Landes aufhalten zu können. IS-Milizen kontrollieren mittlerweile große Teile im Norden und Westen des Landes und wollen weiter auf Bagdad marschieren. Zugleich treiben die Kurden im Norden des Landes ihre Abspaltung vom Irak voran.
Der schiitische Regierungschef Nuri al-Maliki steht seit 2006 an der Spitze des Kabinetts und möchte für eine weitere Amtsperiode gewählt werden. Seine Rechtsstaats-Allianz hatte bei der Parlamentswahl Ende April die meisten Stimmen gewonnen, sie braucht allerdings Koalitionspartner. Sunnitische, kurdische, aber auch schiitische Politiker fordern jedoch Al-Malikis Rückzug. Sie werfen ihm unter anderem vor, zu viel Macht auf sich vereint zu haben.
Für Al-Dschaburi stimmten am Dienstag 194 der 273 anwesenden Parlamentarier. Der neue Präsident des Abgeordnetenhauses gilt als gemäßigter Islamist. Im Irak muss der Parlamentspräsident ein Sunnit, der Präsident ein Kurde und der Regierungschef ein Schiit sein.
Die ersten beiden Anläufe der Abgeordneten, einen neuen Vorsitzenden zu wählen, waren zuvor gescheitert. Auch am Dienstag boykottierten zahlreiche Politiker aus Protest die Sitzung des Abgeordnetenhauses, darunter die säkular ausgerichtete Nationale Koalition des früheren Übergangspräsidenten Ijad Allawi.
Regierungstruppen griffen die Stadt Tikrit rund 170 Kilometer nordwestlich von Bagdad am frühen Dienstagmorgen zunächst aus der Luft und mit Artillerie an, wie ein Offizier der Nachrichtenagentur dpa sagte. Anschließend seien sie mit Panzern aus zwei Richtungen auf die Stadt vorgerückt. Es gebe heftige Kämpfe.
Irakische Regierungstruppen versuchen seit mehr als zwei Wochen, die Geburtsstadt des früheren Machthabers Saddam Hussein von IS-Kämpfern zurückzuerobern. Die Armee hatte bereits mehrfach die Einnahme verschiedener Teile von Tikrit vermeldet.
dpa/mh - Bild: Ali Al-Saadi (afp)