Die Hoffnungen auf eine Waffenruhe im Gaza-Konflikt haben sich vorerst zerschlagen: Zwar folgte Israel am Dienstag zunächst einer Friedensinitiative Ägyptens und verkündete eine einseitige Feuerpause. Doch militante Palästinenser schossen auch danach rund 50 Raketen auf Ortschaften in Israel ab. Am Nachmittag nahmen dann auch die israelischen Streitkräfte ihre Luftangriffe auf Stellungen der Hamas im Gazastreifen wieder auf.
Zuvor hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Initiative Kairos begrüßt. Er forderte die Verantwortlichen in Gaza vor der Presse in Tel Aviv "mit aller Eindringlichkeit" auf, die Waffenruhe einzuhalten. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, den Steinmeier traf, erklärte: "Wenn die Hamas die Vorschläge ablehnt und der Raketenbeschuss nicht endet, sind wir darauf vorbereitet, unsere Angriffe fortzusetzen und zu verstärken."
Am Nachmittag traf der deutsche Außenminister in Ramallah Palästinenserpräsident Mahmud Abbas. Der Palästinenserpräsident will am Mittwoch nach Kairo reisen, um mit dem ägyptischen Präsidenten Abdel-Fattah al-Sisi über den Waffenruhe-Vorschlag zu sprechen.
Hamas nicht in Verhandlungen mit einbezogen
Doch die im Gazastreifen herrschende Hamas sah sich übergangen und lehnte den Vorstoß von vornherein ab. "In keinem Krieg hat es je eine Feuerpause ohne vorherige Vereinbarung gegeben", argumentierte die Islamisten-Bewegung. Der bewaffnete Hamas-Flügel teilte am Morgen mit, er sei nicht in die Verhandlungen mit einbezogen worden. "Unser Kampf mit dem Feind geht weiter." Das Blutvergießen unter den Palästinensern werde nicht umsonst sein. Der Vorschlag Ägyptens sei "nicht die Tinte wert, mit der er geschrieben ist". Militante Palästinenser setzten daher ihre Angriffe auf israelische Ortschaften fort. In der Hafenstadt Aschdod wurde ein Haus direkt von einem Geschoss getroffen.
Der ägyptische Vorstoß zur Beilegung des seit einer Woche schwelenden Konflikts erfolgte, nachdem Israel nach eigenen Angaben mit Luftangriffen rund 3000 Raketenstellungen der Hamas zerstört hatte. Nach Darstellung der palästinensischen Rettungsdienste in Gaza wurden bei den Angriffen mindestens 194 Menschen getötet und 1400 weitere verletzt. Mindestens die Hälfte der Opfer seien Zivilisten gewesen.
Die Hamas hatte wiederum mehr als 1000 Raketen auf Israel abgefeuert. Die meisten davon wurden vom israelischen Abwehrsystem abgefangen oder schlugen in unbewohntem Gebiet ein. Israel hatte deshalb keine Todesopfer zu beklagen. Besonders im Süden schlugen aber Raketen kürzerer Reichweite in dichteren Abständen ein.
Auslöser der jüngsten Eskalation der Gewalt waren die Entführung und Ermordung von drei israelischen Teenagern und der mutmaßliche Rachemord an einem palästinensischen Jungen. Eine 2012 vereinbarte Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht, wurde daraufhin endgültig Makulatur.
Ägypten hatte am Montagabend einen Fahrplan für eine Waffenruhe vorgelegt. Die Vereinbarung sieht nach Angaben des Außenministeriums in Kairo vor, dass Israel alle Angriffe auf Gaza einstellt und die Palästinenser von Kampfhandlungen gegen Israelis absehen. Grenzübergänge sollten für Menschen und Güter geöffnet werden, sobald sich die Sicherheitslage stabilisiert habe.
Das israelische Sicherheitskabinett stimmte dem Plan in einer Sitzung am Dienstagmorgen mit 6:2 Stimmen zu. Die beiden ultrarechten Minister Avigdor Lieberman (Äußeres) und Naftali Bennett (Wirtschaft) blieben mit ihrer Ablehnung in der Minderheit.
Hamas offen für Initiativen
Der führende Hamas-Politiker Ismail Hanija sagte am Montagabend im Fernsehen, seine Organisation sei offen für Initiativen, die zu einem Ende der Gewalt im Gazastreifen führen. Er bestätigte diplomatische Gespräche, bezog sich aber nicht direkt auf die ägyptische Initiative. Hanija sagte weiter, er strebe mehr an als lediglich "Ruhe". Er prangerte die jahrelange Blockade des Gazastreifens durch Israel an, die eine "Situation voller Leiden" geschaffen habe. Diese "armselige Realität" müsse geändert werden.
Die Hamas-Bewegung lehnte jedoch eine Feuerpause ab, wie aus einer in der Nacht verbreiteten Pressemitteilung hervorgeht. "Wir lehnen jede Feuerpause vor einem Abkommen ab", heißt es. "In keinem Krieg hat es je eine Feuerpause ohne vorherige Vereinbarung gegeben."
Die Initiative sieht vor, dass Israel alle Angriffe auf Gaza einstellt und die Palästinenser von Kampfhandlungen gegen Israelis absehen. Grenzübergänge sollten für Menschen und Güter geöffnet werden, sobald sich die Sicherheitslage stabilisiert habe. Zunächst sollten Maßnahmen zur Deeskalation umgesetzt werden und spätestens zwölf Stunden nach Zustimmung beider Seiten zum Fahrplan die Waffenruhe vollständig eingehalten werden.
Der gegenseitige Beschuss war in der Nacht zunächst weitergegangen. Eine Rakete schlug in der israelischen Küstenstadt Eilat am Roten Meer ein. Dabei wurden nach Medienberichten fünf Menschen verletzt.
dpa/jp/mh - Bild: Jack Guez (afp)