Eigentlich braucht sich Jean-Claude Juncker keine Sorgen zu machen. Durch die Vereinbarung der drei großen Fraktionen im Europaparlament gilt seine Wahl zum EU-Kommissionspräsidenten als sicher. Doch die Abstimmung ist geheim und das könnte für die ein oder andere Überraschung sorgen. Deshalb wollte Juncker mit den sieben Fraktionen im EU-Parlament auf Tuchfühlung gehen, ihnen sein Projekt erläutern und auf die vielen Fragen und Anregungen antworten.
Den Startschuss seiner Werbetour gab der Christdemokrat Juncker am Dienstagmittag bei den europäischen Sozialisten. "Es war ein aufschlussreicher Gedankenaustausch", sagtee Juncker. "Wir haben unsere Vorstellungen verglichen." Die Atmosphäre sei kollegial gewesen, fast schon freundschaftlich.
Juncker soll den Sozialisten ein wichtiges Ressort in der neuen Kommission angeboten haben: Den Posten des Wirtschafts- und Finanzkommissars. "Damit wollen die Sozialdemokraten mehr Flexibilität im strengen Stabilitätspakt und bei der Haushaltskonsolidierungspolitik erreichen", sagt Gianni Pittella, der Fraktionssprecher der Sozialisten im EU-Parlament.
Am Dienstagabend traf Juncker zunächst mit den Konservativen und anschließend mit den europäischen Liberalen zusammen. Am Mittwoch stehen noch Gespräche mit den Grünen, den Linken, seiner eigenen EVP-Fraktion und den Europakritikern.
Um gewählt zu werden, braucht Juncker mindestens 376 der 751 Abgeordnetenstimmen im EU-Parlament. Das müsste er locker schaffen, doch er geht lieber auf Nummer sicher. Wohl nicht ganz ohne Grund. Denn schon in seiner eigenen Fraktion kann er nicht auf alle Stimmen zählen. Der ungarische Regierungschef Viktor Orban ist genau wie der Brite David Cameron ein bekennender Juncker-Gegner. Die Mitglieder der ungarischen Fidesz-Partei werden aller Voraussicht nach gegen den Luxemburger stimmen.
Auch einigen Sozialisten dürfte es schwer fallen: Juncker war nämlich Chef der Eurogruppe als die Griechenland-Rettungspakete mit den drastischen Sparmaßnahmen für das Land beschlossen wurden. Damit nächsten Dienstag bloß nichts daneben geht, wirbt Juncker um Unterstützung und verteilt schon mal die ersten Pöstchen in seiner EU-Kommission.
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