Nach mehr als elf Jahren als Regierungschef will der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan Staatsoberhaupt seines Landes werden. "Er ist unser Kandidat für die Präsidentschaft", sagte AKP-Vizechef Mehmet Ali Sahin am Dienstag bei der im Fernsehen übertragenen Nominierungsveranstaltung in Ankara. Die Parteimitglieder hätten sich übereinstimmend für die Kandidatur Erdogans (60) bei der Wahl in knapp sechs Wochen ausgesprochen.
Bei der Präsidentenwahl am 10. August können die Bürger und auch die im Ausland lebenden Türken das Staatsoberhaupt erstmals direkt bestimmen. Der seit 2007 amtierende Präsident Abdullah Gül - der wie Erdogan zu den AKP-Gründern gehört - tritt nicht mehr an.
Gül beschränkt sich als Präsident weitgehend auf die zeremonielle Rolle des Amtes. Erdogan hat bereits deutlich gemacht, dass er im Fall seiner Wahl zum Präsidenten die in der Verfassung vorgesehenen Spielräume voll nutzen möchte. Das Staatsoberhaupt ernennt etwa den Regierungschef und ist der Oberbefehlshaber der Streitkräfte. Gesetze kann der Präsident ans Parlament zurückschicken.
Die beiden größten Oppositionsparteien CHP und MHP haben den früheren Generalsekretär der Organisation der Islamischen Kooperation (OIC), Ekmeleddin Ihsanoglu, als Gemeinschaftskandidaten nominiert. Die prokurdische Partei HDP schickt ihren Ko-Vorsitzenden Selahattin Demirtas ins Rennen. Umfragen sehen Erdogan als klaren Favoriten.
Allerdings ist unklar, ob Erdogan die in der ersten Wahlrunde erforderliche absolute Mehrheit gewinnt. Andernfalls ist für den 24. August eine Stichwahl geplant. Güls Amtszeit endet am 28. August.
Die Statuten von Erdogans Partei AKP verbieten mehr als drei Amtszeiten in demselben politischen Amt. Erdogan ist demnach eine vierte Amtszeit als Ministerpräsident in Folge nach der Parlamentswahl im kommenden Jahr verwehrt.
Erdogans Erklärung zur Kandidatur waren wochenlange Spekulationen vorausgegangen, ob er antreten würde. Seine Partei hatte sich klar dafür ausgesprochen. Wer ihm als Ministerpräsident und an der Spitze der AKP nachfolgt, ist noch nicht bekannt. Erdogan hatte das Amt des Regierungschefs Anfang 2003 übernommen.
Zuletzt hatten in der Türkei Ende März landesweite Kommunalwahlen stattgefunden, die Erdogan zu einer Art Referendum über seine Politik erklärt hatte. Die AKP war mit rund 43 Prozent der Stimmen als mit Abstand stärkste Partei aus der Wahl hervorgegangen.
Besonders seit den landesweiten Gezi-Protesten vor einem Jahr ist Erdogan international zunehmend umstritten. Ihm wird vorgeworfen, immer autoritärer zu regieren und regierungskritische Proteste von der Polizei gewaltsam zerschlagen zu lassen.
dpa/sh - Bild: Adem Altan (afp)