Die Staats- und Regierungschefs der EU haben am Donnerstagabend in Ypern dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs vor 100 Jahren gedacht. Gemeinsam nahmen die 28 am "Last Post" teil – dem täglichen Zapfenstreich zum Gedenken an die vielen Toten. Ypern steht symbolisch für das Kriegsleid: Mehr als eine halbe Million Soldaten haben in den Schützengräben um die westflämische Stadt zwischen 1914 und 1918 auf bestialische Art und Weise ihr Leben verloren.
Die Gegner von damals standen am Donnerstagabend in Ypern zum ersten Mal Seite an Seite. Das Friedensprojekt EU müsse immer daran erinnern, sagte Ratspräsident HermanVan Rompuy. Nach dem gemeinsamen Abendessen in Ypern droht an diesem Freitag die Kampfabstimmung. Herman Van Rompuys Mitteilung nach dem ersten Gipfeltag war denn auch so kurz wie noch nie. Zwei Zeilen, in denen er erklärt, es habe einen Gedankenaustausch über die strategische Ausrichtung der EU in den kommenden Jahren gegeben. Und diese Diskussion werde am Freitag in Brüssel fortgesetzt. Mehr sagte er nicht.
Das lässt tief blicken. Tatsächlich geht es um die Frage, wie weit man die Sparschrauben lockern kann und will. Wie viele Investitionen die EU in den Mitgliedsstaaten zulässt, um Wachstum und Jobs zu schaffen. Die sozialistischen Regierungschefs unter anderem von Frankreich und Italien wollen da alle Möglichkeiten ausschöpfen. Im Mittelpunkt steht aber die Frage: Wer wird neuer Kommissionspräsident. Der britische Premierminister David Cameron will sich partout nicht damit abfinden, dass es wohl Jean-Claude Juncker von der Europäischen Volkspartei wird. Die Fraktion lag nach der Europawahl vorn.
Sollte es tatsächlich zur Kampfabstimmung kommen, sieht es schlecht aus für Cameron. Nur der ungarische Regierungschef Viktor Orban teilt seine Meinung. Die meisten anderen Mitgliedsländer wollen Juncker unterstützen. Auch Belgien unterstützt die Kandidatur von Jean-Claude Juncker. Das bekräftigte der scheidende Premierminister Elio Di Rupo vor Beginn des Gipfels. Die europäische Volkspartei sei als Gewinner aus den Europawahlen hervorgegangen und man müsse den Willen der Wähler respektieren. "Juncker ist eine gute Wahl, er ist der richtige Mann an der richtigen Stelle", sagte Di Rupo.
Greenpeace-Aktivisten demonstrieren bei EU-Gipfel
35 Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace haben am Rande des EU-Gipfels in Brüssel gegen die Energiepolitik der Europäischen Union protestiert. Sie kletterten auf Baukräne und ein Bürogebäude in der Nähe des EU-Ministerrats, wo die 28 Staats- und Regierungschefs konferierten. Die Aktivisten entrollten Banner mit Karikaturen, auf denen Staatschefs in einer Limousine auf einen Abgrund zurollen. Laut Greenpeace berücksichtigen künftige Energiepläne der EU vor allem klimaschädliche fossile Brennstoffe.
Die Polizei war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.
belga/dpa/est - Bild: François Walschaerts (belga)