Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk hat am Mittwoch dem Parlament die Vertrauensfrage für seine Regierung gestellt. Mit Blick auf den am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel beantrage er eine schnellstmögliche Abstimmung, sagte er im polnischen Parlament bei der Debatte über die Abhöraffäre gegen mehrere Regierungsmitglieder.
"Ich muss (auf dem Gipfel) die Gewissheit haben, dass die Regierung das Mandat und die Mehrheit hat, die Arbeit fortzusetzen." Laut Ältestenrat sollte die Abstimmung noch am Abend - frühestens um 21:00 Uhr - stattfinden. Die Opposition, die ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Tusk beantragen wollte, reagierte überrascht.
Tusk sagte, die illegalen Aufzeichnungen von Politikergesprächen gebe es womöglich schon seit eineinhalb Jahren. "Es betrifft dutzende, womöglich hunderte Personen", sagte er. Die Affäre habe einen Bezug "zu Personen, die sich mit Gasverbindungen nach Russland befassen". Hintergrund sei auch Kohlehandel im großen Stil, aber auch "die Situation in der Ukraine und in Europa".
"Ich weiß nicht, in welchem Alphabet das Szenario (der Affäre) geschrieben wurde, aber ich weiß, wer der Nutznießer von Chaos im polnischen Staat sein kann", betonte Tusk. Schaden durch die Affäre sieht Tusk bereits zum jetzigen Zeitpunkt: "Die Aufnahmen schwächten Polens Einfluss auf die Besetzung von EU-Posten."
Die Warschauer Staatsanwaltschaft hat bisher lediglich zwei Festnahmen im Zusammenhang mit der Affäre bestätigt. Bei den Festgenommenen soll es sich nach Medienberichten um einen Geschäftsmann handeln, der ein großes Vermögen mit der Einfuhr günstiger russischer Kohle gemacht hat, sowie um den Schwager des mehrfachen Millionärs. Außerdem wird gegen zwei Kellner des Warschauer Nobelrestaurants ermittelt, die die illegalen Aufnahmen gemacht haben sollen.
Unter anderem waren private Treffen von Innenminister Bartlomiej Sienkiewicz und Außenminister Radoslaw Sikorski mit politischen Freunden und Geschäftsfreunden aufgezeichnet worden. Das Nachrichtenmagazin "Wprost" veröffentlichte die Abschriften der Gespräche, in denen die Politiker teils vulgär über Kollegen und europäische Politiker herzogen.
dpa/mh - Bild:Janek Skarzynski (afp)