Der schwer verletzte Höhlenforscher Johann Westhauser ist aus der Tiefe gerettet. Helfer mit seiner Trage kamen am Donnerstag um 11.44 Uhr am Ausgang der Riesending-Schachthöhle in den Berchtesgadener Alpen an. In einer beispiellosen Rettungsaktion holten sie Westhauser damit in sechs Tagen aus 1.000 Metern Tiefe nach oben. Am Höhlenausgang am Untersberg in 1.800 Metern Höhe standen Ärzte bereit, um den 52-Jährigen zu versorgen. Eine mobile notfallmedizinische Station war eingerichtet.
Die Retter hatten die letzte Etappe zunächst in enormer Geschwindigkeit bewältigt. In der Nacht zum Donnerstag verzögerte sich der Transport dann aber noch einmal. Am Donnerstag zogen Helfer die etwa 100 Kilogramm schwere Trage mit dem Schwerverletzten über 180 Meter an Seilen frei schwebend senkrecht nach oben.
Der erfahrene Höhlenforscher, der seit Jahren Deutschlands tiefste Höhle erkundete, war am Pfingstsonntag bei einem Steinschlag von einem Brocken am Kopf getroffen worden. Er erlitt dabei ein Schädel-Hirn-Trauma. Seit dem Unfall bis zur Rettung vergingen gut 274 Stunden.
Während ein internationales Team den Verletzten in der Trage schob, zog und weiterhievte, sicherten ständig Dutzende Helfer den Weg zum Ausgang mit zusätzlichen Haken und neuen Seilen. Sie räumten loses Geröll weg und hielten Gischt aus Wasserfällen mit Planen ab.
In welches Krankenhaus Westhauser kommen wird, war zunächst nicht bekannt. Salzburg läge am nächsten. Aber es könnte auch eine Klinik in Süddeutschland sein - in Bayern oder Baden-Württemberg, wo Westhauser lebt. "Die Ärzte müssen entscheiden, in welche Klinik er geht", hatte Bergwacht-Sprecher Roland Ampenberger noch am Mittwochmittag betont. "Die wichtigen Kliniken, die infrage kommen, werden darauf eingerichtet sein, dass sie einen weiteren Patienten aufnehmen können."
Riesending-Schachthöhle - die tiefste und längste Höhle Deutschlands
Die Riesending-Schachthöhle am Untersberg in den Berchtesgadener Alpen gilt als tiefste und längste Höhle Deutschlands. Das gigantische Gangsystem umfasst eine Länge von rund 19 Kilometern und ist etwa 1.100 Meter tief. "Was ist denn das für ein Riesending?", lautete ein Ausspruch bei der Entdeckung des Eingangstrichters der Höhle, wie die Arbeitsgemeinschaft für Höhlenforschung Bad Cannstatt im Internet schreibt. Daher hat die Höhle ihren Namen.
Die Bergwacht Bayern bezeichnet das Ausmaß der Höhle als extrem: Bereits die ersten Schächte können nur begangen werden, indem man sich an einem Seil bis zu 300 Meter hinab lässt. Auch auf dem weiteren Weg ist es immer wieder nötig, sich abzuseilen. Noch dazu gibt es Engstellen, durch die nur schlanke Personen knapp hindurchpassen. Durch Steinschlag und Wasser bestehe für Menschen "eine erhebliche Gefährdung" in den Schächten.
Die Höhle liegt sechs Kilometer nördlich von Berchtesgaden, direkt an der Grenze zu Österreich. Der Eingangsschacht wurde bereits 1995 entdeckt, blieb zunächst aber nahezu unbeachtet. Erst von 2002 an begannen Forscher, den Schacht nach und nach zu erkunden. Die Erforschung der Höhle ist mühsam, da der Gangverlauf immer wieder durch Schluchten unterbrochen wird.
dpa/okr Bild: Nicolas Armer