Kolumbiens Stichwahl am Sonntag, 15. Juni, entscheidet nicht nur über einen neuen Präsidenten, sondern auch über die Zukunft der Friedensgespräche mit der Farc-Guerilla. Staatschef Juan Manuel Santos stellt sich mit aktuellen Verhandlungsfortschritten zur Wiederwahl gegen seinen konservativen Herausforderer Óscar Iván Zuluaga, der die angebliche Nachgiebigkeit des Präsidenten anprangert.
In der ersten Wahlrunde am 25. Mai hatte Zuluaga mit einem Vorsprung von 3,5 Prozentpunkten vor Santos gesiegt. Von den drei ausgeschiedenen Kandidaten gab die konservative Politikerin María Lucía Ramírez (15,5 Prozent in der ersten Wahlrunde) Zuluaga ihre Unterstützung für die Stichwahl. Die linke Kandidatin Clara López (15,2 Prozent) rief indessen ihre Wähler auf, ihre Stimme für Santos abzugeben. Der Kandidat der Grünen, Enrique Peñalosa (8,3 Prozent) gab keine Wahlempfehlung ab. Er selbst hat sich aber als Befürworter der Friedensgespräche bekannt. Entscheidend wird auch die Wahlbeteiligung sein, die in der ersten Wahlrunde nur 41 Prozent betrug.
Die Guerilla hat sich für keinen der beiden Kandidaten ausgesprochen. Farc-Chef Rodrigo Londoño, alias "Timochenko", rief zur Stimmenthaltung auf. Aber indirekt haben die Rebellen die Kampagne des Präsidenten Santos unterstützt.
Größte und älteste Guerilla-Gruppe in Kolumbien
Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) sind die größte und älteste Guerilla-Gruppe des Landes. Bereits seit 50 Jahren bekämpfen die linksgerichteten Farc die Staatsmacht. Nach Einschätzung von Kritikern ist der Kampf kaum noch politisch motiviert, sondern eng mit Mord, Entführungen und Drogenhandel verbunden.
Gemeinsam mit anderen Rebellen kontrollierten sie einst große Teile des Landes. Doch seit 2002 drängte das Militär die Farc weitgehend in zumeist unzugängliche Dschungelgebiete zurück. Mehr als 200.000 Menschen wurden in dem Konflikt bislang getötet.
Farc-Chef "Timochenko" distanzierte sich in einer Erklärung nach der ersten Wahlrunde vom Drogenhandel. Zuvor hatte die Guerilla eine einseitige Waffenruhe um die Stichwahl vom 9. bis zum 30. Juni verkündet. Santos erklärte seinerseits vor der Stichwahl, er werde nach der Unterzeichnung des Friedens mit der Farc den Militärdienst abschaffen - falls er wiedergewählt werde.
Zuluaga kritisierte die Annäherung des Präsidenten an die Farc. "Es ist bedauernswert, dass ein Präsident die Wiederwahl in Allianz mit den schlimmsten Tätern, den größten Drogenhändlern sucht", erklärte er. Sein Mentor, Santos' Vorgänger Álvaro Uribe (2002-2010), kritisierte, dass die Regierung nicht imstande sei, bei der Farc eine Waffenniederlegung und die Rückgabe von angeblich über vier Milliarden Dollar Beute zu erwirken.
Uribe hatte bei den Wahlen 2010 die Kandidatur seines damaligen Verteidigungsministers Santos unterstützt. Als dieser aber als Staatschef die Verhandlungen mit den Rebellen einleitete, wurde er von Uribe als Verräter verstoßen.
Härtere Haltung bei den Friedensgesprächen
Der konservative Kandidat Zuluaga hat jedoch nach der ersten Wahlrunde von seiner Forderung abgelassen, die Farc müsse unverzüglich die Waffen niederlegen. Dies würde im Fall seines Wahlsiegs sicherlich zu einem Abbruch der Verhandlungen führen. Zuluaga hält aber an mehreren weiteren Forderungen fest, die eine härtere Haltung bei den Friedensgesprächen bedeuten würden. Wie weit die Guerilla nachgeben würde, bleibt ungewiss.
Der französische Politologe Daniel Pécaut, einer der anerkanntesten Forscher zum kolumbianischen Konflikt, erklärte der Zeitung "El Espectador", die Kosten einer Unterbrechung der Friedensgespräche seien viel höher als die eines erfolgreichen Verhandlungsabschlusses.
Die Umfragen sagen wenige Tage vor der Wahl stark unterschiedliche Ergebnisse voraus. Gallup gab Zuluaga einen Vorsprung von 0,8 Prozentpunkten. Nach einer Ipsos-Umfrage würde Zuluaga sogar mit neun Prozentpunkten Vorsprung gewinnen. Umfragen der Zeitung "El Tiempo" und des Senders Radio Caracol sagten dagegen einen Sieg von Santos voraus, mit 3,8 beziehungsweise 4,9 Prozentpunkten Vorsprung.
Juan Garff, dpa/sh - Bild: Diana Sanchez (afp)