Europa hat die Wahl: Die Niederlande und Großbritannien stimmen am Donnerstag als erste der 28 EU-Länder ab. Insgesamt sind bis zum Sonntag in der EU rund 400 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, über die Zusammensetzung des künftigen Europaparlaments zu entscheiden.
Europa hat die Wahl: In den Niederlanden haben am Donnerstagmorgen landesweit um 07:30 Uhr die Wahllokale für die EU-Wahl geöffnet - eine halbe Stunde vor denen in Großbritannien (08:00 Uhr MESZ). Das erste Wahllokale in den Niederlanden öffnete in Maastricht bereits um Mitternacht. Dort gab der Bürgermeister der südniederländischen Provinzhauptstadt, Onno Hoes, bei einem Wahlfest in einem Popmusik-Zentrum seine Stimme ab.
Im traditionell europakritischen Großbritannien bestimmen die Wähler 73 der insgesamt 751 Europaabgeordneten. Demoskopen erwarten dabei ein starkes Abschneiden der rechtsgerichteten Partei UKIP mit ihrem Vorsitzenden Nigel Farage. Die Rechtspopulisten, die vor allem mit dem Austritt aus der EU und dem Thema Zuwanderung Stimmung machen, könnten Umfragen zufolge mit bis zu 30 Prozent stärkste politische Kraft auf der Insel werden.
In den Niederlanden, wo rund 12,5 Millionen Wahlberechtigte über die 26 holländischen Europaparlamentarier entscheiden, dominierten euroskeptische Parteien den Wahlkampf. Umfragen sagen ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Gegner und Freunde Europas voraus. Sowohl die linksliberale D66 mit einem ausdrücklich pro-europäischen Kurs als auch die Partei für die Freiheit (PVV) des Rechtspopulisten Geert Wilders könnten mit je fünf Mandaten stärkste Kraft werden.
In den Niederlanden werden am Abend bereits kurz nach Schließung der Wahllokale um 21:00 Uhr erste Prognosen erwartet. Ob es auch in Großbritannien nach Schließung um 23:00 Uhr Prognosen geben wird, ist ungewiss. Offizielle Ergebnisse dürfen EU-weit erst am späten Sonntagabend von 23:00 Uhr an veröffentlicht werden, wenn auch die letzten Wahllokale in Italien geschlossen haben.
Erstarken von rechtsextremen, populistischen Parteien
In Europa wächst die Sorge, dass es zu einem Erstarken von rechtsextremen, populistischen und euroskeptischen Parteien kommen wird. Bei dieser Wahl gibt es ein Novum: Die Parteienfamilien haben erstmals für den wichtigen Posten des EU-Kommissionschefs europaweite Spitzenkandidaten ins Rennen geschickt.
Der Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP), Jean-Claude Juncker, will sich nicht mit Stimmen von Faschisten oder Rechtspopulisten zum EU-Kommissionspräsidenten wählen lassen. "Ich würde die Wahl nicht annehmen", sagte der frühere luxemburgische Regierungschef am Dienstagabend in der ARD-"Wahlarena". Der Spitzenkandidat der Sozialdemokraten, Martin Schulz, rief in der Sendung dazu auf, wählen zu gehen, um ein Erstarken rechter Kräfte zu vermeiden.
Insgesamt wird das neue Parlament 751 Abgeordnete haben, derzeit sind es - nach dem Beitritt Kroatiens als 28. EU-Mitglied 766. Mit 96 Abgeordneten stellt Deutschland die meisten Parlamentarier aller Mitgliedsländer, es folgt Frankreich mit 74. Luxemburg, Estland, Zypern und Malta stellen mit je sechs die wenigsten Abgeordneten. Derzeit gibt es sieben Fraktionen, nach den Wahlen könnte ein Verbund der Rechtspopulisten hinzukommen. Zur Bildung einer Fraktion sind mindestens 25 Abgeordnete aus sieben EU-Ländern nötig.
dpa/sh - Bild: Marcel Van Hoorn (afp)