Der türkische Ministerpräsident Erdogan gerät nach dem Grubenunglück in Soma unter Druck. Zusätzliche Entrüstung löste ein Berater von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan aus - er soll am Ort der Katastrophe in Soma auf einen am Boden liegenden Demonstranten eingetreten haben.
Auf einem am Donnerstag über soziale Medien verbreiteten Foto ist zu sehen, wie Berater Yusuf Yerkel zum Tritt ausholt, während zwei Sicherheitskräfte einen Mann am Boden festhalten. Yerkel hatte am Mittwoch Erdogan bei einem Besuch in Soma begleitet. Dabei war es zu Buh-Rufen und Protesten gegen den Ministerpräsidenten gekommen.
In der Hauptstadt Ankara und in der Metropole Istanbul hatten am Mittwochabend Tausende Menschen wegen des schwersten Grubenunglücks in der Geschichte der Türkei den Rücktritt der Regierung gefordert. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Tränengas gegen Demonstranten vor. Mehrere Gewerkschaften riefen für diesen Donnerstag zum Streik auf. Kritiker werfen der Regierung vor, trotz Sicherheitsbedenken eine schützende Hand über das Kohlebergwerk gehalten zu haben.
Yerkel bestätigte dem türkischen Dienst der BBC, dass er auf dem Bild zu sehen sei. Türkischen Medienberichten zufolge sagte Yerkel, bei dem Mann habe es sich um einen militanten Linken gehandelt, der ihn und Erdogan angegriffen und beleidigt habe.
"Passiert ständig"
Erdogan hatte die schlechte Sicherheitsbilanz der Kohlebergwerke in seinem Land nach einem Besuch am Katastrophenort am Mittwoch heruntergespielt. "Solche Unfälle passieren ständig", sagte er. "Ich schaue zurück in die englische Vergangenheit, wo 1862 in einem Bergwerk 204 Menschen starben."
Die Zahl der Toten beim schwersten Grubenunglück in der Geschichte der Türkei stieg nach Angaben der Regierung auf 282. Seit Mittwochabend seien aus dem Kohlebergwerk Soma keine Kumpel mehr lebend geborgen worden, sagte Energieminister Taner Yildiz laut der Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstagmorgen. Die Bergungsarbeiten würden fortgesetzt.
Wie viele Bergleute noch unter Tage eingeschlossen sind, ist unklar. Am Mittwoch hatte Erdogan die Zahl auf 120 geschätzt. Das Grubenunglück ist das schwerste weltweit seit fast 40 Jahren. Demonstranten und Gewerkschaften kritisierten, es habe sich nicht um einen Unfall, sondern um "Mord" an den Arbeitern gehandelt. Demonstranten forderten in Sprechchören den Rücktritt der Regierung wegen des Unglücks.
dpa/sh/sd - Bild: Bulent Kilic/AFP